Hebt die Titanic
Das Tauchboot diente zur Erforschung des Meeresbodens. Seiner siebenköpfigen Mannschaft standen ozeanographische Meßgeräte und weitere Ausrüstungen im Gesamtgewicht von zweitausend Kilogramm zur Verfügung. Es konnte bis in eine Tiefe von achttausend Meter tauchen.
Jedenfalls hatten die Konstrukteure das behauptet. Und trotzdem spürte Giordino ein leichtes Unbehagen, obwohl der Tiefenmesser jetzt erst 4200 Meter anzeigte. Denn bei je einhundert Meter weiterem Absinken stieg der Druck der Wassermassen um fünfzehn Pfund pro Quadratzoll. Jetzt waren es also etwa sechstausend Pfund pro Quadratzoll, die gegen die dicke Titaniumhülle mit dem roten Anstrich preßten.
»Wie wäre es mit einer kleinen Erfrischung?«
Giordino blickte in das ernste Gesicht von Omar Woodson, dem Photographen des Unternehmens.
»Der Schaltkontrolleur hätte schon vor fünf Minuten einen aufmunternden Kaffee gebraucht«, sagte Giordino. »Hat er denn nicht gemerkt, daß die Scheinwerfer ausgefallen sind und die gesamte Innenbeleuchtung außerdem?«
»Eine unnötige Panne«, sagte Woodson besänftigend. »Ist jetzt alles wieder in Ordnung?«
»Scheint so«, antwortete Giordino. »Ich habe die Heckbatterien entlastet. In den nächsten Stunden werden wir nur den mittleren Stromkreis anzapfen.«
»Ein Glück, daß wir nicht beim Stromausfall gegen einen Felsvorsprung geprallt sind.«
»Nicht gut möglich«, erklärte Giordino. »Seit sechs Stunden hat unser Sonargerät nur winzige Steinbrocken geortet. Der Meeresboden hier scheint völlig eben zu sein.«
Rudi Gunn, der Leiter des Sonderauftrags, kam nach vorn und beugte sich in die Pilotenkanzel. Er war klein und dünn, und seine Hornbrille über der römischen Hakennase gab seinem Gesicht einen eulenhaften Ausdruck. Diese unvorteilhafte Äußerlichkeit wurde mehr als ausgeglichen durch menschliche Freundlichkeit und Wärme. Die gesamte Mannschaft respektierte und verehrte Rudi Gunn. Ein paar Sekunden lang spähte Gunn durch die Sichtscheibe. Wie durch einen bläulichen Nebel erkannte er dicht unterhalb der Sappho I den rötlichen Schlamm, der die Oberschicht der Bodenablagerung bildete. Eine nur etwa drei Zentimeter lange leuchtend rote Krabbe glitt durch den Scheinwerferstrahl und verschwand wieder in der Dunkelheit.
»Eine ziemlich kahle Unterwasserwüste, scheint mir«, sagte Gunn.
»Und recht kalt«, ergänzte Giordino und deutete auf eine Meßskala. »Dicht über null Grad Celsius.« Seine Hand glitt zu dem großen grünlich schimmernden Bildschirm mitten auf dem Armaturenbrett. »Sonar zeigt auch nichts. Seit mehreren Stunden hat sich die Profillinie nicht bewegt.«
Gunn nahm die Brille ab und rieb sich mit einer müden Geste die Augen. »Okay, Gentlemen, nach einundfünfzig Tagen in dieser schwimmenden Gefängniszelle ist unser Auftrag so gut wie erfüllt. Wir machen noch zehn Stunden weiter, dann tauchen wir auf.« Er warf unwillkürlich einen Blick auf die obere Instrumententafel. »Ist Mutter noch bei uns?«
Giordino nickte. »Sie behütet uns auf Schritt und Tritt.« Ein Blick auf die bebende Nadel des Meßwertumwandlers zeigte ihm, daß das Mutterschiff die Sappho I auf ihrem Sonar ständig unter Kontrolle hatte.
»Nimm Verbindung auf«, sagte Gunn, »und signalisiere an Mutter, daß wir Punkt neun Uhr mit dem Auftauchmanöver beginnen. Das dürfte ausreichen, um uns noch vor Sonnenuntergang an Bord zu holen und die Sappho I ins Schlepptau zu nehmen.«
»Ich weiß schon fast nicht mehr, wie ein Sonnenuntergang aussieht«, sagte Woodson sehnsüchtig. »Jetzt wird erst einmal Urlaub am Strand gemacht. Ich möchte Sonne tanken und mich satt sehen an all den reizenden Mädchen in Bikinis.«
»Wirklich ein Glück, daß das Ende in Sicht ist«, gestand Giordino. »Noch eine Woche in dieser Metallzigarre, und ich würde anfangen, mich mit den Blumentöpfen zu unterhalten.«
Woodson sah ihn verblüfft an. »Wir haben doch gar keine Blumentöpfe an Bord.«
»Na, da siehst du ja, wie es um mich steht.« Gunn lächelte. »Alle haben sich ihren Urlaub verdient. Die von uns gesammelten Meßdaten werden den Burschen in den Labors lange Zeit Beschäftigung geben.«
»Eigentlich ein merkwürdiges Unternehmen«, sagte Giordino und deutete auf die vier Männer im Hintergrund des Tauchboots. Ben Drummer war ein schlaksiger Mann aus den Südstaaten mit entsprechendem Dialekt; Rick Spencer, ein kleiner blonder Kalifornier, der ständig durch die Zähne pfiff; Sam Merker, clever und
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