Hebt die Titanic
Papier auf dem Kartentisch aus und verankerte es mit mehreren halb geleerten Kaffeebechern. Es war eine Übersichtszeichnung der Titanic und ihrer Lage auf dem Meeresboden. Mit einem Bleistift deutete Spencer auf die verschiedenen Stellen rings um den Rumpf, die mit winzigen Kreuzen markiert waren.
»Das hat sich also nun aus allen Berechnungen herauskristallisiert«, erklärte er. »Achtzig Ladungen von je dreißig Pfund Sprengstoff werden an diesen Schlüsselpunkten im Schlamm rings um die Titanic deponiert.«
Sandecker beugte sich vor und musterte die Zeichnung. »Sie wollen die Sprengladungen in drei Reihen anordnen?«
»Jawohl, Sir«, bestätigte Spencer. »Und zwar sechzig, vierzig und zwanzig Meter vom Schiffsrumpf entfernt. Zuerst zünden wir die äußeren Sprengsätze an Steuerbord. Dann acht Sekunden später die Außenreihe backbord. Die mittleren und inneren Reihen der Sprengsätze werden im gleichen Rhythmus gezündet.«
»Ganz primitiv ausgedrückt, etwa nach der Methode, wie man einen im Schlamm steckengebliebenen Wagen langsam herausschaukelt«, kommentierte Giordino.
Spencer nickte. »Das ist kein schlechter Vergleich.«
»Haben wir genug Sprengstoff?« fragte Pitt.
»An Bord der Bomberger ist fast eine Tonne davon für seismische Forschungszwecke«, antwortete Spencer. »Die Modoc hat für Bergungssprengungen vierhundert Pfund auf Lager.«
»Wird das genügen?«
»Zur Not«, gestand Spencer. »Weitere dreihundert Pfund würden die Erfolgschancen wesentlich verbessert haben.«
»Können wir diesen Rest nicht vom Festland einfliegen lassen?« fragte Sandecker.
Pitt schüttelte den Kopf. »Das ganze Manöver würde zwei Stunden zu lange dauern.«
»Dann müssen wir also weitermachen«, sagte Sandecker mit einem Schulterzucken. »Die Zeit läuft uns davon.« Er wandte sich Gunn zu. »Bis wann können die Sprengsätze installiert werden?«
»In vier Stunden«, antwortete Gunn, ohne zu zögern. Sandeckers Blick verengte sich. »Das wird aber verdammt knapp. Eine letzte Frist von nur vierzehn Minuten?«
»Wir können es schaffen«, sagte Gunn. »Allerdings nur unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?« fragte Sandecker ungeduldig. »Wir brauchen dazu jedes operationsfähige Tauchboot.«
»Das bedeutet also, daß wir die Sappho II von ihrem Wachtposten neben der Deep fathom abziehen müssen«, sagte Pitt resigniert. »Die armen Kerle dort unten in der Kabine werden meinen, wir lassen sie in Stich.«
»Es gibt keine andere Möglichkeit«, sagte Gunn hilflos. »Es bleibt uns wirklich keine andere Wahl.«
Merker hatte jeden Zeitsinn verloren. Er stierte auf das Leuchtzifferblatt seiner Armbanduhr, konnte aber die Zeigerstellung nicht erkennen.
Wann war der Ladebaum auf ihre Lufttanks gefallen? Vor fünf Stunden – zehn –? Oder war es gestern gewesen. Sein Gehirn arbeitete schwerfällig wie unter dem Einfluß einer betäubenden Droge.
Er konnte nur reglos dasitzen und langsam atmen. So wie Chavez und Kiel neben ihm saßen und mit jedem Atemzug den Anteil von lebenserhaltendem Sauerstoff in der Kabine verminderten. Ein giftiges Elixier von Angst mischte sich in die Luft. Sie wußten alle, daß sie sich buchstäblich zu Tode atmeten, und konnten doch nichts dagegen unternehmen. In seinem umnebelten Bewußtsein machte Merker eine Entdeckung, die er zuerst nicht richtig registrieren konnte. Irgend etwas veränderte sich unmerklich. Was?
Plötzlich wußte er es: Der durch die Vorderluken fallende Lichtschein wurde noch schwächer, als er ohnehin schon war. Merker raffte seine ganze Energie zusammen und ließ sich von der Koje herabgleiten. Das eisige Wasser reichte ihm schon bis zur Brust, und wie in einem Alptraum watete er nach vorn und spähte durch die oberen Sichtluken.
Kälte und ein unnennbares Grauen griffen wie eine Riesenfaust nach ihm und preßten seine Brust und seine Kehle zusammen. Seine Stimme war nicht viel mehr als ein Stöhnen, als er sagte: »Oh, mein Gott: sie verlassen uns. Sie haben uns aufgegeben.«
Sandecker drehte nervös die eben erst angezündete Zigarre zwischen den Fingern, während er ruhelos im Kommandoraum auf und ab ging. Der Radiotechniker hob die Hand, und Sandecker wechselte sofort die Richtung und trat neben ihn. »Die Sappho I meldet sich, Sir«, sagte Curly. »Sie hat alle ihre Sprengladungen installiert.«
»Dann soll sie so schnell wie möglich auftauchen«, befahl der Admiral. »Je höher sie ist, um so ungefährlicher ist die Druckwirkung nach der
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