Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)
sich sagt, dass er es schon besser erwischt hat als viele andere.
Dann kam er auf etwas zurück, worüber er schon eine Weile nachgedacht hatte:
Frage: Was ist der Unterschied zwischen den Krisen, die bis dato an verschiedenen Punkten unseres Lebensweges auftraten, und jener »Midlife-Crisis«?
Naheliegende Antwort: In der Midlife-Crisis beginnen wir zu allem Übrigen auch noch daran zu denken, wie viel Zeit uns noch bleibt.
Hector begann zu schreiben: Liebe Kunden, unser Geschäft schließt in wenigen Minuten … Da vernahm er eine jugendliche Stimme: »Mein Großvater hat mir schon gesagt, dass Sie ständig mit Nachdenken beschäftigt sind.«
Hector hob den Kopf, und als er Ophélie erblickte und ihr Lächeln und ihr reizendes Botticelli-Gesicht, fühlte er, wie sein Herz schneller zu schlagen begann.
»Mach dich bloß nicht zum Idioten!«, dachte er sofort.
Tatsächlich hatte er schon etliche Jahre keine junge Frau mehr im Café getroffen, aber sein Körper, dieser alte Blödmann, hatte ganz vergessen, wie viel Zeit ins Land gegangen und dass sein Eigentümer inzwischen mit Clara verheiratet war, einer Frau, die er liebte.
Hector hoffte, dass Ophélie nichts von seiner Aufwallung mitbekommen hatte. Zum Glück beugte sie sich gerade über eine niedliche rote Aktentasche. Sie zog ein Schulheft und einen Bleistift hervor und sah Hector erwartungsvoll an. Dann stellte sie ihre erste Frage: »Was hat Sie eigentlich dazu bewogen, Psychiater zu werden?«
»Dazu habe ich erst allmählich gefunden«, antwortete Hector. »Erst als Assistenzarzt ist mir klar geworden, dass mich die Weltsicht der Patienten und ihre Persönlichkeit am meisten interessierten …«
Er hatte solche Fragen schon früher in Interviews beantwortet, also lief es ganz von selbst, und er war froh, dass sein Gespräch mit Ophélie eine solche Wendung ins Professionelle nahm.
»Weshalb konsultieren Ihrer Meinung nach immer mehr Menschen einen Psychiater oder Psychologen?«
»Darauf gibt es mehrere Antworten …«
Ophélie hatte sich gut vorbereitet, ihre Fragen zwangen Hector dazu, sich zu konzentrieren, und er gab ihr fast eine Stunde lang Auskunft.
»Danke schön«, sagte sie schließlich. »Ich glaube, jetzt habe ich eine Menge Material für meinen Artikel.«
»Wenn Sie über die Psychiatrie von heute schreiben, sollten Sie vielleicht auch eine psychiatrische Klinik oder eine Ambulanz besuchen …«
»Können Sie mir da eine empfehlen?«
»Selbstverständlich. Ich könnte das mit den Kollegen absprechen.«
Dann bezahlte Hector bei dem jungen Kellner, der es sich nicht verkneifen konnte, nach Ophélie zu schielen, die beiden Tassen Kaffee. Alle Fragen waren abgehandelt, das Wechselgeld war herausgegeben; eigentlich hatte er keinen Grund, noch länger bei Ophélie sitzen zu bleiben, doch irgendwie war er zu träge, um das Signal zum Aufbruch zu geben. »Ich mache mich zum Vollidioten!«, dachte er wieder.
»Ich wollte Sie noch etwas fragen«, sagte Ophélie und tauchte ihren Blick in den seinen.
»Ja, bitte …«
»Mein Großvater hat mir erzählt, dass Sie mal einen Wissenschaftler kennengelernt haben, der einen Stoff entwickelt hatte, mit dem man die Leute ineinander verliebt machen konnte.«
»Hm«, sagte Hector, »ja, das stimmt. Aber es ist schon lange her.«
Etwas mehr als zwanzig Jahre, wie er unwillkürlich nachrechnete. Gleich danach hatte er Clara geheiratet. Sie beide hatten es nicht nötig gehabt, jene verliebt machende Substanz zu schlucken.
»Aber hat es diesen Wirkstoff – diesen Liebestrank, wenn man so will – tatsächlich gegeben?«
Hector musste an die in- und ausländischen Mächte denken, die sich damals Professor Cormoran, dem Erfinder des Präparats, an die Fersen geheftet hatten, und ihm stand nicht im Geringsten der Sinn danach, dass Ophélie, eine zukünftige Journalistin, diese alte, geheime und tief vergrabene Affäre wieder ans Tageslicht holte.
»Es hat nicht wirklich geklappt«, sagte er. »Man hat das Zeug einem Pandapärchen gegeben, und es ist schlimm ausgegangen.«
»Wieso schlimm?« Ophélies Augen leuchteten.
»Das Männchen hat das Weibchen aufgefressen!«
»Aber das ist ja schrecklich!«, rief Ophélie entsetzt und hielt sich ihre schöne Hand vor den Mund.
»Wenn man bedenkt, dass sich Pandas sonst nur von Bambussprossen ernähren, muss dieses Mittel sie also vollkommen verrückt gemacht haben.«
»Ein Glück, dass es sonst niemand genommen hat!«
Hector wusste, dass dies
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