Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)
nicht ganz stimmte und dass die letzte Version des modernen Liebestranks wahrscheinlich sogar gewirkt hatte, aber das erzählte er Ophélie nicht.
Sie schien noch immer von dem Thema fasziniert zu sein: »Und trotzdem – wenn man die Forschungen fortgesetzt hätte, wäre das eine richtige Revolution geworden. Wenn man sicher sein könnte, dass man sich in die Person seiner Wahl verliebt und auch verliebt in sie bleibt!«
»Finden Sie wirklich, dass es eine gute Erfindung gewesen wäre?«
Hector dachte daran, wie er das gesamte Forschungsmaterial des Professors in einem reißenden Gebirgsbach hatte verschwinden lassen.
»Vielleicht«, meinte Ophélie. »Die Liebe kann so viel Leid bringen …«
Hector fragte sich, wer der Schurke sein mochte, der Ophélie leiden ließ. Im selben Augenblick begann auf dem Tisch ihr Handy zu summen. Sie nahm es hoch, schaute auf die Nummer, ging aber nicht dran.
Aus ihrer etwas traurigen, aber dennoch ruhigen Miene schloss Hector, dass nicht sie an der Liebe litt, sondern der Anrufer.
Diese Qualen der Liebe schienen Hector nur noch eine ferne Erinnerung zu sein – beinahe so alt wie die Fassade des Palais du Luxembourg. Na schön, und nun war es auch höchste Zeit, das Feld zu räumen! Wollte er noch lange über Ophélies Seelenzustände nachdenken?
»Jetzt muss ich aber gehen«, sagte Hector, »ich habe noch etwas in der Rue des Saints-Pères zu tun, an der Medizinischen Fakultät.«
»Da gehen Sie doch bestimmt durch den Jardin du Luxembourg?«
»Ja.«
»Sehr schön, da muss ich auch lang!«
Hector passt auf
Zuerst kamen Hector und Ophélie am Denkmal für Francis Garnier vorbei, der Büste eines stattlichen Mannes, die sich über die bronzenen Gestalten dreier nackter Frauen erhob. Sie waren offensichtlich ganz außer sich vor Bewunderung für diesen stolzen Kolonisator. Betrachtete man sie übrigens genauer, so sah man, dass sich das Trio der schönen Bewunderinnen aus einer Afrikanerin, einer Asiatin und einer Europäerin zusammensetzte, und alle drei hatten eine perfekte Figur.
Da Hector aber noch Ophélies Bemerkung über die hübschen halb nackten Göttinnen im Ohr hatte, enthielt er sich lieber eines Kommentars.
Schon wenige Meter weiter erhob sich ein gewaltiger Brunnen, dessen Ränder von einem Dutzend lebensgroßer Bronzepferde geziert wurden, während ihn in der Mitte vier schlanke – und natürlich nackte – junge Frauen krönten, die in ihren zarten Armen eine Erdkugel hielten, das Symbol des wunderbaren französischen Imperiums, dessen zivilisatorisches Licht über der ganzen Welt strahlte. Der Künstler hatte dem traditionellen Trio noch eine Indianerin hinzugefügt, die man an ihrem Federschmuck erkennen konnte.
»Glanz und Gloria der Kolonisierung, in Szene gesetzt von nackten jungen Frauen – das ist wirklich der Gipfel des politisch Unkorrekten!«, sagte Ophélie, die sich das Lachen nicht verkneifen konnte.
»Damals war es gewiss politisch sehr korrekt.«
»Ich frage mich, welche Kunstwerke von heute den Betrachtern im nächsten Jahrhundert ganz und gar nicht korrekt vorkommen werden …«
Hector war einmal mehr davon bezaubert, dass eine junge Frau schon solch ein Gespür für die verrinnende Zeit hatte. Gleichzeitig fiel ihm eines seiner ersten Gespräche mit Clara wieder ein, und das ließ ihn, während sie durch den großen Jardin du Luxembourg gingen, eine Weile lang verstummen.
Dann standen sie vor der Fassade des Palastes, am großen achteckigen Wasserbecken, auf dem die Kinder Segelschiffchen treiben ließen, die man stundenweise mieten konnte. Vor ein paar Jahrzehnten hatte Hector das selbst getan. Die kleinen bunt lackierten Holzschiffe verließen den steinernen Hafen, flitzten nach den Launen des Windes umher, kreuzten den Weg paddelnder Enten und blieben zum großen Kummer ihrer kleinen Kapitäne manchmal in der Mitte des Beckens stehen. Im schlimmsten Fall trieb es das Schiff unter den Strahl der zentralen Fontäne, und sein Segel geriet dann unter der herabschießenden Sturzflut in gefährliche Schieflage. Aber am Ende gab es immer einen kleinen Windstoß, der das Schiff an den Beckenrand wehte, wo das Kind, dem schon die Tränen in die Augen gestiegen waren, es wieder in Empfang nehmen konnte.
Hector dachte, dass diese kleinen Kreuzfahrten auf dem Wasserbecken ein recht gutes Sinnbild für ein glückliches Leben waren: Wir brechen voller Hoffnung auf, dann kommt es zu unvorhergesehenen Zwischenfällen und
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