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Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)

Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)

Titel: Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: François Lelord
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Pfarrer zu sprechen und nicht mit allen möglichen Leuten, denn die glaubten meistens nicht mehr so richtig an Gott und noch weniger an die spezielle Beziehung, die Roger zu Ihm unterhielt.
    Und es kam vor, dass der Pfarrer bei Hector anrief und ihm sagte, dass man die Dosierung von Rogers Medikamenten vielleicht erhöhen sollte.
    Und Hector schämte sich dann ein wenig für diesen kleinen Verrat, aber es war ja nur zu Rogers Bestem – ein Quäntchen Böses, um ein viel größeres Gutes zu bewirken, wie es der heilige Augustinus so schön gesagt hat. Aber seien Sie vorsichtig mit diesem Argument, denn man hat sich seiner schon bedient, um ganze Städte in Schutt und Asche zu legen samt all ihrer Bewohner, die Babys inbegriffen.
    »Aber weshalb sollten wir uns heute zum letzten Mal sehen?«, fragte Hector ziemlich überrascht.
    Er fürchtete, dass Roger ihm gleich verkünden werde, er könne künftig ohne Medikamente oder Psychiater auskommen, und bereitete sich schon auf eine schwierige Sitzung vor.
    Aber darum ging es ganz und gar nicht. »Man hat mich aus meiner Wohnung geschmissen«, sagte Roger.
    Bisher hatte Roger es immer geschafft, die Miete für seine Einzimmerwohnung zu bezahlen, denn er hatte Sozialhilfe und eine Rente von der Stadt bekommen, aber nun war eine dieser Hilfszahlungen zusammengestrichen worden, und gleichzeitig hatte man Roger die Miete erhöht.
    »Und kann Ihnen die Sozialarbeiterin nicht helfen, eine neue Wohnung zu finden?«
    »Das versuchen wir schon seit Monaten«, meinte Roger, »aber es klappt nicht. Es ist offenbar kein Geld mehr da.«
    Wie allgemein bekannt, lebte das Land seit vielen Jahren auf Pump. Dabei hatten die Leute immer weniger Stunden gearbeitet, und die Firmen hatten immer weniger Produkte ins Ausland verkauft. Es war schwer zu sagen, wessen Schuld das war, aber jedenfalls war derzeit weniger Geld in der Kasse, um Menschen wie Roger die Wohnung zu bezahlen.
    »Sie schlagen mir vor, nach irgendwo weit draußen in die Vororte zu ziehen. Aber ich mag die Vorstädte nicht. Was ich liebe, das ist Paris. Und außerdem hätte ich dann einen weiten Weg bis zu Ihnen.«
    Hector konnte Roger gut verstehen; auch er liebte Paris, und schon in einem der schöneren Vororte leben zu müssen, wäre ihm wie ein Exil vorgekommen. Was man aber Roger anbot, waren gewiss nicht die netten Vorstädte.
    Roger brachte seine Tage damit zu, allein durch die Straßen von Paris zu streifen; er ging von einer Kirche zur nächsten und kannte sie fast alle.
    »Natürlich gäbe es da eine Lösung«, sagte Roger.
    Hector freute sich, dass Roger sich selbst eine Lösung überlegt hatte; es zeigte ihm, dass seine Arbeit als Psychiater nicht vergeblich gewesen war.
    »Ich nehme einfach die Medikamente nicht mehr, und im Handumdrehen lande ich wieder in der Klapse«, sagte Roger und lachte.
    Das Traurige daran war, dass Roger nicht unrecht hatte. Wenn er in seinen Wahnzuständen ein paar große Dummheiten anstellte, konnte es gut sein, dass er sich in einer Klinik wiederfand und monatelang dort bleiben musste – was die Gesellschaft zehnmal mehr kosten würde, als wenn er in seiner Einzimmerwohnung geblieben wäre.
    »Aber darauf habe ich keine Lust, Doktor. Die Klinik, das ist nicht mein Ding. Vielleicht, wenn alles noch so wäre wie früher …«
    Als Roger ganz jung gewesen war, hatte es sie noch gegeben, die altmodischen psychiatrischen Krankenhäuser, die man ›Anstalten‹ nannte – mit Innenhöfen, Bäumen, Tischler- oder Schlosserwerkstätten und sogar kleinen Bauernhöfen, damit die Kranken eine Beschäftigung hatten, denn diese Krankenhäuser waren zu einer Zeit erbaut worden, in der man wusste, dass man die Patienten lange dabehalten würde: über Jahre hinweg, vielleicht sogar lebenslang.
    Heute aber hatte man neue Medikamente und sperrte die Kranken nicht mehr so lange weg, und die modernen Architekten hatten psychiatrische Abteilungen entworfen, die wie ein ganz gewöhnliches Krankenhaus aussahen und in denen man außerhalb seines Zimmers nur wenig Platz hatte. Wenn man nur kurz dablieb, war das ganz in Ordnung, aber es wurde schnell belastend, wenn man dort Monate verbringen musste, und genau das konnte Roger passieren, wenn er seine Tabletten nicht mehr nahm und damit zuließ, dass die Krankheit sich verschlimmerte. In gewisser Weise trauerte Roger den alten Heilanstalten nach. Hector, der in jungen Jahren dort noch gearbeitet hatte, erinnerte sich gut, dass manche Patienten gar nicht

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