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Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)

Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)

Titel: Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: François Lelord
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Ophélie gab, die genauso wirklich war und auf demselben Stuhl saß. Diese Ophélie wusste genau, dass ihre Geschichte keine Zukunft hatte; Hector war für sie von Anfang an ein interessanter Reisegefährte gewesen, aber sie hatte auch immer an die Rückfahrt gedacht.
    Und plötzlich sah er, wie sich Ophélies Augen – die Augen der ersten Ophélie – neuerlich mit Tränen füllten und wie sie nach ihrer Serviette griff, um es vor Hector zu verbergen. Dann wurde sie wieder zur zweiten Ophélie und sagte: »Ich weiß doch sowieso, dass es nicht von Dauer gewesen wäre. Ich kenne mich ja … Wollen wir noch mal in die Speisekarte des großen Chefkochs schauen?«
    Es war großartig, aber Hector spürte, dass die erste Ophélie noch nicht verschwunden war. Und da begann er sich zu fragen, ob es nicht auch in ihm zwei Hectors gab …

Clara spielt mit dem Feuer
    Gunther hatte Clara in ein exzellentes Fischrestaurant an der Ecke von Spring Street und Sixth Avenue geführt; es herrschte dort ein lässiger Schick, und es gab viele Stammgäste. Gunther wurde wie ein alter Freund empfangen und begrüßt.
    Alle Tische waren besetzt, aber er bekam sofort zwei Plätze an der Ecke des Tresens, wodurch sie ziemlich eng beieinandersaßen und noch dazu einen großartigen Blick auf den ganzen Speisesaal hatten, auf die Gäste, meistenteils Pseudobohemiens, die geradewegs aus den neuesten Filmen von Woody Allen zu kommen schienen, und auf die Austern, die man vor ihren Augen öffnete.
    Clara fragte sich, ob Gunther das nicht doch alles geplant hatte. Vielleicht hatte er genau diese Plätze reserviert, auf denen man intimer zusammensaß als an einem Tisch, und trotzdem hatte Clara denken sollen, dass er nicht sicher gewesen war, ob sie seine Einladung annehmen würde. Das hätte dem Gunther von früher ähnlich gesehen.
    Auf der Austernkarte gab es zahlreiche ihr unbekannte Sorten von der Atlantik- und der Pazifikküste: Blue Point, Coromandel, Otte Core, East Beach Blonde, Shigoku … Gunther stellte eine Auswahl zusammen, und empfahl auch die Reihenfolge, in der sie gegessen werden sollten.
    Clara hatte Austern immer schon geliebt und war begeistert.
    Sie tranken einen vorzüglichen Sancerre, und Clara wunderte sich, wie vertraut Gunther ihr vorkam, wo sie doch vor so vielen Jahren auseinandergegangen waren, dass Clara die genaue Zahl lieber nicht ausrechnen wollte. Lag es am Wein, an den Austern, an der körperlichen Nähe hier an der Bar, am sanften Licht, das ihr die früheren Abendessen mit ihm in Erinnerung rief?
    »Das ist New York«, sagte Gunther, »die ganze Welt auf deinem Teller!«
    Und in deinem Bett, dachte Clara, und das Bild der dunkelhäutigen Kellnerin stand ihr wieder vor Augen. Aber gut, daran war nichts Empörendes, immerhin war Gunther ja ungebunden.
    Sie begannen eine vorsichtige Unterhaltung, als hätte Gunther begriffen, dass er im Vergleich zu seinen vertraulichen Geständnissen an der Klubbar einen Gang zurückschalten musste. Zunächst sprach er über die ersten Jahre in seiner neuen Rolle, über die Zeit, als der Meat Packing District noch eine gefährliche Gegend gewesen war, in die man nur aus zwielichtigen Gründen kam.
    In der Anfangszeit des Klubs hatte er es kaum geschafft, gute Musiker zu gewinnen, und wenn es ihm doch einmal gelungen war, hatten diese Künstler oft die ärgerliche Neigung gehabt, betrunken zu erscheinen oder sich mit Drogen vollzupumpen. »Und dann haben die hiesigen Zuhälter meinen Manager bedroht und Prozente verlangt. Ich habe ihnen gesagt, der Klub werde ihnen Kundschaft bringen, und eigentlich müssten wir Geld von ihnen verlangen!«
    »Und dann?«, fragte Clara, die unwillkürlich ziemlich fasziniert zuhörte.
    »Es gab harte Zeiten, wo ich immer auf der Hut sein musste, aber bald habe ich mich mit dem örtlichen Polizeirevier gut verstanden … Und vor allem war einer der Zuhälter ein Jazzliebhaber, und wir sind Freunde geworden.«
    Gunther bestellte mit einer Handbewegung die nächsten Austern. »Aber heute ist alles anders, jetzt ist es ein reiches Szeneviertel – für Leute wie mich! Schau nur, ich trage nie mehr eine Krawatte …«
    Sein pechschwarzes Poloshirt von Armani sollte Clara vor Augen führen, wie sehr er sich verändert hatte.
    »Und dann habe ich mir eine Loftwohnung mit Blick auf den East River gesucht. Es ist wirklich paradiesisch. Ich habe mir dort einen richtigen Profiherd einbauen lassen, denn du weißt ja, dass ich schon immer gern gekocht

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