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Heidegger - Grundwissen Philosophie

Heidegger - Grundwissen Philosophie

Titel: Heidegger - Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Tietz
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können, bedarf es nach Ansicht der Idealsprachler der Angabe der zulässigen logischen Verknüpfungsregeln und der Aufstellung eines Lexikons, das alle zugelassenen Ausdrücke enthält. Und wenn es allein die syntaktische Wohlgeformtheit eines Satzes ist, die seinen Sinn garantiert, dann muß man sich um die Semantik ohnehin nicht mehr kümmern. Frei nach Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716): »Der Rest ist Rechnen.« 30 Das Problem allerdings ist, daß es eine solche vollständig formalisierte Sprache nicht geben kann, da sie in jedem Fall einen Satz enthalten wird, der mit den Mitteln dieser Sprache nicht entscheidbar ist. Diese
Normierungsaporie
hat Heidegger erkannt. Jede Sprachnormierung mittels einer geregelten Syntax muß sich des Regelsystems der Umgangssprache bedienen, um Regeln überhaupt festlegen zu können, da man [36] Regeln nur dann festlegen kann, wenn man schon Regeln hat. Hier liegt der Grund für die Normierungsaporie, in die das Idealsprachenprogramm geraten mußte.
    Nun kritisiert aber auch Heidegger die natürliche Sprache. Denn diese, so der mit Friedrich Nietzsche (1844–1900) und der Romantik geteilte Befund, läßt das Individuelle nicht zu seinem Recht kommen. Nach Heidegger ist »das Individuelle als Individuelles nicht vollkommen zu erfassen. […] Es bleibt ein
unsagbarer
Rest zurück, dem man allenfalls immer näher kommen kann, ohne ihn jedoch je auszuschöpfen.« »Das die Wortbedeutungen die unübersehbare Mannigfaltigkeit des unmittelbaren Gegebenen nicht erreichen, ihr gegenüber vielmehr schon bestimmte Formungen und Umbildungen darstellen, hat vor allem Rickert im Zusammenhang mit dem Problem der Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung nachgewiesen.« (GA 1, 352f. und 306f.)
    Heidegger versteht den Begriff ganz nominalistisch als ein operatives Schema, dessen Anwendung auf die Gegenstände das Inkommensurable abschneidet und sie nur noch als Exemplare eines Allgemeinen übrigläßt. Denn der Begriff ermögliche es immer nur zu sagen, worunter etwas fällt; zu sagen, was etwas ist, verhindert er. Seit seinen philosophischen Anfängen hegt Heidegger eine tiefes Mißtrauen gegen den Begriff und gegen den Satz – und schließlich gegen das philosophische Argument selbst. Sein Versuch der »Befreiung der Sprache aus der Grammatik in ein ursprünglicheres Wesensgefüge« ist geleitet von der Idee, daß der »
Satz
überhaupt als
solcher
, d. h. das Setzen, die Position«, das Denken absterben läßt, weil er suggeriert, Wahrheit bestehe »darin, daß das Prädikat dem Subjekt zukommt und als zukommend im Satz gesetzt […] ist« (GA 41, 104 und 36). Es waren die »Sachen selbst«, die sein Interesse fanden und die er gegen den bloßen Begriff der Sache ausspielte, wobei Heideggers Sprachkritik eine zweifache Pointe hat: Sie ist gegen falsche »Theoretisierungen« gerichtet, die die »Sachen selbst« verdecken, und sie ist gegen den bloß »gemachten Begriff« gerichtet, der dem [37] Individuellen Gewalt antut. Husserls Schlachtruf »Zu den Sachen selbst« 31 , den sich auch Heideggers Sprachkritik zu eigen macht, läßt sich also in einer zweifachen Weise verstehen.
    In der ersten Perspektive richtet sich die Kritik lediglich gegen bestimmte, nicht adäquate Theoretisierungen, die sich jedoch durch adäquate Theoretisierungen korrigieren ließen. In der zweiten Perspektive richtet sich die Kritik gegen jede Theoretisierung, ja gegen den Satz und gegen die Sprache selbst, denn Heidegger glaubt, daß in dieser ein Mechanismus eingebaut ist, der direkt in die Metaphysik hineinführt und die »Sachen selbst« durch ihre sprachliche »Inbesitznahme« nicht zu ihrem Recht kommen läßt. Die erste Kritik will also auf ganz bestimmte Mängel der diskursiven Rationalität aufmerksam machen, wobei mit einer solchen Kritik immer schon die Mittel benannt sind, mit denen diese Mängel behoben werden können, wenn wir uns im
hermeneutischen Raum des Gebens und Nehmens von Gründen
über die Sachangemessenheit von Behauptungen Rechenschaft ablegen. Die zweite Kritik will auf einen strukturellen Mangel dieser diskursiven Rationalität aufmerksam machen, der im Rahmen der durch die Metaphysik infizierten Grammatik ebenso notwendig wie unvermeidlich sein soll – weshalb es gelte, die Sprache aus dieser Grammatik zu befreien und auf den Boden eines anderen »Sagens« zu stellen.
    Wohlgemerkt: Der Punkt für Heidegger ist nicht, daß es in natürlichen Sprachen möglich ist,

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