Heidi Klum - Chamäleongesicht. Biographie (German Edition)
Publikums über die Frage, wer von beiden wohl die Schönere sei, austragen. Sie bewegen sich dabei wie Sumo-Ringerinnen, wobei sie scherzhalber immer wieder mit ihren Vorderseiten aufeinander prallen. Heidi wird später kichernd erzählen: „Tyra hätte mich dabei fast von der Bühne gefegt.“
So gesehen ist die Begegnung zwischen den beiden Frauen für Heidi im Jahr 1997 vielleicht wichtiger als der unmittelbare Anlass: In die Badesportausgabe von Sports Illustrated zu kommen. Heidi ist unter den anderen Größen der Modewelt, die zu der Gelegenheit auf den Malediven eintreffen, immer noch das Küken. Den Status will sie unbedingt ändern. Sie weiß aber nicht, wie sie sich gegen die anderen durchsetzen soll, denn es geht hier ja vor allem darum, bei dem Magazin auf das Titelblatt zu kommen. Als ersten Schritt probiert sie jede Menge Badeanzüge an. Dann versucht sie, mit dem Photographen Robert Erdmann ins Gespräch zu kommen. Der mag Heidi sofort, findet sie sehr sexy und sagt als Einleitung zum Shooting zu ihr: „Ich will dich zerzaust und strandmäßig, wie du gerade aus dem Wasser kommst. Ich will, dass du eine Göttin bist. Die Leute sollen bei deinem Anblick hecheln und sabbern.“ Als sie sich dann aber vor der Kamera zu sehr anstrengt, diesen Eindruck hervorzurufen, ist Erdmann enttäuscht, weil sie ihr Potential offenbar nicht vor der Linse ausspielen kann. Da kann er auch direkt werden: „Mach nicht so ein blödes Gesicht. Schau mich einfach ganz normal an“, fordert er sie brüsk auf.
Heidi findet es schwer, sich zu entspannen. Vor allem, wenn sie angebrüllt wird. Sie weiß ja, worum es hier geht. Es ist ihre große Chance, ein Supermodel zu werden. Vielleicht sogar die letzte, denn wenn sie jetzt durchfällt, hat sie auch im nächsten Jahr keine Chance. Sie möchte es unbedingt schaffen. Die Zeitschrift hat so viele Leser, dass auch ein Model, dass irgendwo im Blattinneren versteckt ist, einen Karriereschub vom Abdruck erwarten kann. Damit kann sie sich in die erste Liga spielen und nur so ihre Anwartschaft auf einen Platz unter den „Engeln“ von Victoria's Secret anmelden. Sie wirft sich also trotz anfänglichen Frust voll in ihre Posen und wirkt dabei immer wieder so verkrampft, dass einmal Elaine Farley – die ihr ja günstig gestimmt ist - vorbeikommt und sagt: „Übertreib's nicht. Entspann dich einfach.“
Erdmann macht von Heidi auch Nacktaufnahmen, was ihre Nervosität noch steigert, wenn auch immerhin nur als Silhouette. Zwar hat sie kein Problem damit, sich nackt zu zeigen. Doch auf das Titelblatt werden sie diese Aufnahmen bestimmt nicht bringen, und wenn ein Model vor allem als Nacktmodel bekannt wird, bedeutet das automatisch einen Karriereknick. Das Shooting ist für Heidi auch anstrengender als erwartet. Eines der besten Fotos wird eines werden, in dem Heidis Kopf und ein Teil des Oberkörpers aus dem Wasser ragt. Ihr Haar ist nass und fällt über den Rücken hinab. Ihr Blick geht direkt in die Kamera. Sie trägt ein gestricktes Top, das so feucht geworden ist, dass sich die Konturen ihrer Brustwarzen abzeichnen. „Diese Halb-drinnen-halb-draußen-Pose war unmöglich zu halten“, erzählt sie später, „und so musste auf jeder Seite jemand meinen Arm stützen und einer meine Füße ausbalancieren. Meine Zähne klapperten und ich war steif gefroren, aber dank fotografischer Zauberkunst wurden die drei Stützen aus dem Bild geschnitten und ich sah aus, als würde ich mich einfach in irgendeinem wohltuend warmen Wasser aalen.“
Dann ist der Moment da, in dem ein Cover-Versuch geschossen werden soll. Fast jedes Mädchen, das auf die Malediven eingeladen wurde, hat diesen Augenblick einmal erlebt. Keine aber hat gesagt bekommen, dass sie es auch schon geschafft hat. Robert Erdmann ist sichtlich aufgeregt, als er Heidi im Sucher sieht: „Das ist das Cover!“ ruft er spontan aus. Das hat er noch bei keiner gesagt. Heidi kann es kaum glauben, was sie da hört. Euphorie pulsiert in ihr hoch. Elaine Farley eilt herbei, und sie ist genauso enthusiastisch: „Oh mein Gott, ich seh's. Das ist das Cover“, pflichtet sie bei.
Für Robert Erdmann war Heidi, wie er Jahre später im Rückblick sagen wird, auf den Malediven eigentlich am falschen Platz. Nicht, weil sie als Model untalentiert wäre – sondern weil sie tatsächlich eine „viel zu starke Persönlichkeit“ hat, wie er meint. So etwas kann das Fortkommen in der Modewelt seiner Ansicht nach eher behindern und
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