Heidi Klum - Chamäleongesicht. Biographie (German Edition)
„Almmädel“ Heidi, das ein Uneingeweihter leicht einer Allgäuerin zugeordnet hätte. Diese Heidi Klum jodelt, steht im Werbespot neben einer Kuh, trägt Dirndl, liebt Milch und ist naturwüchsig. Es gelingt Heidi in den folgenden Jahren, dieses Image auch in Deutschland zu verkaufen, wo man ja eigentlich weiß, wo Bergisch-Gladbach liegt – und dass man dort eigentlich nicht jodelt. Hier ist es die fröhliche, geradlinige Heidi, die man sich als harte, zupackende Arbeiterin im ländlichen Bereich durchaus vorstellen kann, die in Pressegesprächen und öffentlichen Auftritten das Bild eines Modegeschöpfs Heidi Klum rasch überlagert.
Außerdem besetzt Heidi (wie andere Blondinen vor ihr) besonders in Deutschland tiefere, ältere Klischeebilder, die so beständig sind, dass kein Gezeitenwechsel sie aus den Herzen der Menschen entfernen kann. Jedes Jahrhundert bedient sich darin wie in einem Kostümfundus und schafft dabei das Bild einer Blondine mit übermenschlichem Charakter. Was Heidi für das 21. Jahrhundert werden wird, waren Claudia Schiffer und Steffi Graf in den 1990ern. Wahrscheinlich muss man bis zum Bild der überirdischen Germania zurückgehen, um diese sich dauernd wechselnden Idealbilder an Blondinnen (die nicht immer echt waren) zu analysieren. Germania wurde erstmals auf den Münzen des römischen Kaisers Domitian nach der Zeitenwende dargestellt als Walküre, der Schlacht- und Schildjungfer germanischer Streiter. Von schwanenhafter, graziler Gestalt, zeichnen sich sowohl Germania wie auch die Walküre vor allem durch ihre blasse Haut und ihr langes, blondes Haar aus. Besonders die lange, blonde Mähne soll im Laufe der Jahre Heidis Kennzeichen werden, und das bei einer Frau, die als Mädchen die verschiedensten Hairstyles ausprobiert hat und noch bei „Model '92“ braunes Haar vorführte. Sie weiß von der Wirkung blonder Haare, und von den alten und uralten Assoziationen, die diese wecken. Die Germania der römischen Münze sollte damals das heutige deutschsprachige Siedlungsgebiet symbolisieren. Dieses Bild wirkte weit über Antike und Mittelalter hinaus bis in das 19. Jahrhundert. Es ist anzunehmen, dass es auch heute noch in den Köpfen der Menschen eingraviert bleibt und sich beständig mit neuen mythologischen Versatzbildern vermischt und diese durchdringt. Mal mehr oder mal weniger kriegerisch ist diese Germania, vom Beginn der nordischen Mythen Frigg und Freya an, mal in den Sagen eher von feingliedriger Gestalt und edel wie Kriemhild, dann wieder wehrhaft wie Brünhilde, im Märchen mal mitleidig wie Sterntaler, dann fleißig wie Goldmarie. Diese Mythen weben auch heute in der Medienlandschaft, und ein Gutteil der Faszination der Menschen heftet sich auf diese blonden Lichtgestalten, deren Göttlichkeit nicht dadurch gemindert wird, dass sie zwischendurch dann auch gern mal in einem Blondinenwitz veralbert werden. Heidi Klum, ein „deutscher Pummel“ mit braunen Haaren und mittlerer Körpergröße, ist in diesen Mythos im Laufe der Jahre hinein gewachsen, und dabei ätherisch geworden, zum Engel – wenn auch mit dem Prägestempel von Victoria's Secret – und hat sich gleichberechtigt neben Heroen gestellt, die von der Natur dazu ausersehen schienen, diese überirdischen Gestalten zu verkörpern. Mal ist es die Weiblichkeit Claudia Schiffers, Sinnbild von Lieblichkeit und Fruchtbarkeit, die die Menschen fasziniert, dann wieder die herbe, zupackende Gefährtin im Kampf, Typ Steffi Graf. Heidi ist die Kombination der beiden, ein Verschmelzungsbild, ein Amalgam. Sie ist sowohl Sirene als auch Kumpel, Supermodel, aber auch super Model, nämlich eine zum Anfassen.
Wer immer dieses Reservoir von Glaubensbereitschaft und kollektivem Unterbewusstsein anzapft, spielt mit dem Feuer. Anbetung, aber auch Hohn und grenzenlose Verachtung kann die Folge sein. Unsere Imagination lässt es zu, dass wir wirklichen Menschen göttliche Eigenschaften zuschreiben. Weitreichende Bewunderung ist dann die Folge, und auch, dass man den Menschen selbst nicht mehr sieht, sondern ihm lieber Eigenschaften zuschreibt, die man diesen alten Mythen entnimmt. Da kann eine Heidi Klum dann über Nacht Kampfesmut, Treue, Beständigkeit, Anmut, aber auch Mütterlichkeit und Häuslichkeit verkörpern, je nachdem, welches Versatzstück des Glaubens der Einzelne gerade braucht. Durchbricht so ein Star diese altbackenen Klischees - so wie das beispielsweise Hildegard Knef oder Ingeborg Bachmann taten – dann kann in der
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