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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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geben könnte, wie du mir den Schlitten, weißt noch? Aber ich hatte gar nie etwas.«
    »Das ist viel mehr wert, als einen Schlitten leihen, was du für mich jetzt getan hast; das will ich dir auch nicht vergessen, Wiseli«, und Otto gab ihm ganz gerührt die Hand. Wiselis Augen leuchteten vor Freude wie lange nicht mehr. Aber nun wollte Otto noch wissen, wie es denn wieder in die Stube hineingekommen sei, da er doch gewartet hatte, bis alle Kinder draußen waren.
    »O ich bin gar nicht hinausgegangen«, sagte Wiseli; »ich verbarg mich schnell hinter dem Kasten, ich dachte, du gehest schon noch ein wenig hinaus, wie jeden Tag vorher.«
    »Aber wie konntest du immer hinaus, ohne daß ich dich sah?« wollte Otto noch wissen.
    »Wenn du am Herumlaufen warst mit den anderen, konnte ich schon hinaus, ich horchte schon auf, und gestern und heute, wie ich nicht sicher war, ging ich durch des Lehrers Stube und fragte die Frau Lehrerin, ob sie etwas zu verrichten habe, sie gibt mir manchmal einen Auftrag auszurichten, und dann ging ich durch die Küche fort; gestern war ich gerade hinter der Küchentür, als du in die Schulstube hineinranntest.«
    Jetzt wußte Otto die ganze Geistergeschichte. Er bot dem Wiseli noch einmal die Hand. »Danke, Wiseli«, sagte er herzlich; und dann lief eins da hinaus, das andere dort hinaus, und beiden war es ganz wohl zumute.
    ----

Sechstes Kapitel.
Das Alte und auch etwas Neues.
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    Der Sommer war vergangen und auch die schönen Herbsttage waren wohl zu Ende. Es wurde kühl und nebelig am Abend, und in den feuchten Wiesen fraßen die Kühe das letzte Gras ab, und hier und da flackerten auf den Wiesen kleine Feuer auf, denn die Hirtenbuben brieten Kartoffeln da und wärmten sich die Hände.
    An einem solchen nebelgrauen Abend kam Otto aus der Schule heimgerannt und erklärte seiner Mutter, er müsse nachsehen, was das Wiseli mache, denn seit den Herbstferien war es noch gar nie in die Schule gekommen, wohl acht Tage lang nicht. Otto steckte seine Vesperäpfel zu sich und eilte fort. Am Buchenrain angekommen, sah er den Rudi vor der Haustür am Boden sitzen und von einem Haufen Birnen, die neben ihm lagen, eine nach der anderen zerbeißen.
    »Wo ist das Wiseli?« fragte Otto.
    »Draußen«, war die Antwort.
    »Wo draußen?«
    »Auf der Wiese.«
    »Auf welcher Wiese?«
    »Ich weiß nicht«, und Rudi knackte weiter an seinen Birnen.
    »Du stirbst einmal nicht am Gescheitsein«, bemerkte Otto und ging aufs Geratewohl die große Wiese hin, die sich vom Haus bis gegen den Wald hinaufzog. Jetzt entdeckte er drei schwarze Punkte unter einem Birnbaum und ging darauf zu. Richtig, da bückte sich Wiseli, um die Birnen zusammenzulesen, dort saß der Chäppi rittlings auf seinem Birnenkratten, und zuhinterst lag der Hans rücklings über den vollen Korb hin und schaukelte sich so darauf, daß der Korb jeden Augenblick umzustürzen drohte. Chäppi sah ihm zu und lachte bei jedem Rucke.
    Als Wiseli den Otto herankommen sah, kam ein ganzer Sonnenschein auf sein Gesicht. »Guten Abend, Wiseli«, rief er von weitem, »warum bist du so lange nicht in die Schule gekommen?« Wiseli streckte ganz erfreut dem Otto die Hand entgegen. »Wir haben so viel zu tun, darum durfte ich nicht kommen«, sagte es; »sieh nur, wieviel Birnen es gibt! Ich muß vom Morgen bis zum Abend auflesen, soviel ich nur kann.«
    »Du hast ja ganz nasse Schuhe und Strümpfe«, bemerkte Otto; »bah, hier ist’s nicht gemütlich, frierst du nicht, wenn du so naß bist?«
    »Es schaudert mich nur manchmal ein wenig, sonst ist es mir eher heiß vom Auflesen.« In diesem Augenblick gab der Hans seinem Korb einen solchen Ruck, daß alles übereinander auf den Boden hinrollte; der Hans, der Korb und alle Birnen, die fuhren nach allen Richtungen hin.
    »Oh, oh!« sagte Wiseli kläglich, »nun muß man die alle wieder zusammenlesen.«
    »Und die auch«, rief Chäppi und lachte heraus, als die Birne, die er geworfen hatte, dem Wiseli an die Schläfe fuhr, daß es ganz bleich wurde und ihm vor Schmerz das Wasser in die Augen kam. Kaum hatte Otto das gesehen, als er auf den Chäppi losfuhr, ihn samt seinem Kratten umwarf und ihn fest im Genick packte. »Hör auf, ich muß ersticken«, gurgelte der Chäppi; jetzt lachte er nicht mehr. – »Ich will machen, daß du daran denkst, daß du es mit mir zu tun hast, wenn du so mit dem Wiseli verfährst«, rief Otto zornglühend. »Hast du genug? Willst du daran denken?« – »Ja, ja, laß nur los!« bat

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