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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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wüßte. Nein, nein, Frau Oberst, meiner Lebtag nicht, lieber nicht essen, lieber nicht mehr aufkommen, als so etwas tun.«
    Die Oberstin hatte ihn ganz ruhig fertig reden lassen; jetzt, da er sich auf sein Kissen zurücklegte, sagte sie beruhigend:
    »Es ist nicht so schlimm, was ich ausgedacht habe, Andres; denkt jetzt nur ruhig ein wenig nach. Ihr wißt ja, wo das Wiseli versorgt ist. Meint Ihr, es habe dort nichts zu tun, oder nur besonders leichte Arbeit? Recht tüchtig muß es dran und bekommt so wenig freundliche Worte dazu. Würdet Ihr ihm etwa auch keine geben? Wißt Ihr, was Wiselis Mutter tun würde, wenn sie jetzt neben uns stände? Mit Tränen würde sie Euch danken, würdet Ihr das Kind jetzt in Euer Haus nehmen, wo es gute Tage hätte, das weiß ich schon, und Ihr solltet sehen, wie gern es die kleinen Dienstleistungen für Euch täte.«
    Jetzt mußte dem Andres auf einmal alles anders vorkommen. Er wischte sich die Augen; dann sagte er kleinlaut:
    »Ach, ach! Wie könnte ich aber zu dem Kinde kommen? Sie geben es gewiß nicht weg, und dann müßte man ja doch auch wissen, ob es wollte.«
    »Es ist jetzt schon gut, kümmert Euch nicht weiter, Andres«, sagte die Frau Oberst fröhlich und stand von ihrem Sessel auf; »ich will nun selbst sehen, wie’s geht, denn mir liegt die Sache nach allen Seiten hin am Herzen.«
    Damit nahm sie Abschied von Andres; als sie aber schon unter der Tür war, rief er ihr noch einmal ängstlich nach:
    »Aber nur, wenn es will, das Wiseli, nur, wenn es will; bitte, Frau Oberst!«
    Sie versprach noch einmal, das Kind sollte nur freiwillig erscheinen, oder dann gar nicht, und verließ das Haus. Sie ging aber nicht den Berg hinan, sondern hinunter, dem Buchenrain zu, denn sie wollte sogleich versuchen, das Wiseli dahin zu bringen, wo sie es so gern haben wollte.
    Am Buchenrain angekommen, traf die Frau Oberst gerade mit dem Vetter-Götti zusammen, wie er ins Haus hineintreten wollte. Er begrüßte sie, ein wenig erstaunt über den Besuch, und sie teilte ihm gleich beim Eintreten in die Stube mit, warum sie gekommen sei, und wie sehr sie hoffe, keinen Abschlag zu bekommen, denn es liege ihr viel daran, daß das Wiseli die Pflege zu Ende führen könne, was es schon zu tun imstande sei. Da die Base in der Küche die Unterhaltung hörte, kam sie auch herein und war noch erstaunter als ihr Mann, den Besuch vorzufinden. Er erklärte ihr, warum die Frau Oberst gekommen sei, und sie meinte gleich, das sei schon nichts, von dem Kinde werde niemand eine besondere Hilfe erwarten. Da sagte aber der Mann: was recht sei, müsse man gelten lassen; das Wiseli könne helfen, wo es sei, es sei anstellig bei allen Geschäften; er würde das Kind nicht einmal gern fort lassen, es sei folgsam und gelehrig. So für vierzehn Tage wollte er nichts dawider haben, daß es den Andres ein wenig verpflege; bis dahin werde er wohl wieder auf sein, daß es heim könne, denn länger könnte es dann nicht fort sein, dann kommen schon so allerhand Geschäfte, die ihm zukommen, denn da müsse man schon für den Frühling rüsten.
    »Ja, ja«, setzte jetzt die Frau ein, »es kommt mir nicht in den Sinn, immer wieder von vorn mit ihm anzufangen; jetzt habe ich ihm alles mit Mühe gezeigt, das kann es nun anwenden; der Andres soll nur selber eins anziehen, wenn er eins braucht.«
    »Ja, wegen vierzehn Tagen«, sagte der Mann beschwichtigend, »da wollen wir auch nichts sagen, man muß einander etwas zu Gefallen tun.«
    »Ich danke Euch für den Dienst«, sagte nun die Frau Oberst, indem sie aufstand; »der Andres wird Euch gewiß auch recht dankbar sein. Kann ich das Wiseli gleich mit mir nehmen?«
    Die Base murrte etwas, es werde nicht so stark pressieren; aber der Mann fand es am besten so. Je schneller es gehe, je früher sei es wieder da, meinte er; denn er stellte durchaus auf vierzehn Tage ab. Wiseli wurde herbeigerufen, und der Vetter-Götti sagte ihm, es solle schnell sein Bündelchen Kleider zusammenmachen, weiter nichts. Wiseli gehorchte sogleich; fragen durfte es nicht, warum. Seit es sein Bündelchen in das Haus gebracht hatte, war nun gerade ein Jahr verflossen; es war nichts Neues hinzugekommen, als sein schwarzes Röcklein, das hatte es an, es war aber nun fertig getragen und hing wie ein Fetzchen an dem Kinde herab, und Wiseli schaute ein wenig scheu die Frau Oberst an, als es nun mit seinem leichten Bündelchen dastand. Sie verstand den schüchternen Blick und sagte:
    »Komm nur, Wiseli, wir

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