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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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gehen nicht weit, es geht schon so.«
    Dann nahm sie schnell Abschied von den Leuten, und als Wiseli dem Vetter-Götti die Hand gab, sagte er:
    »Du kommst bald wieder heim, es ist nicht zum Abschiednehmen.«
    Jetzt trippelte das Wiseli schweigend und sehr verwundert in seinem Herzen hinter der Frau Oberst her, die rasch über den beschneiten Feldweg hinschritt, so, als befürchtete sie, man könnte sie samt dem Wiseli wieder zurückholen. Als aber der Buchenrain gar nicht mehr zu sehen war, da kehrte sie sich um und stand still.
    »Wiseli«, sagte sie freundlich, »kennst du den Schreiner Andres?«
    »Ja freilich«, antwortete Wiseli, und ein Lichtstrahl schoß aus des Kindes Augen, als es den Namen hörte. Die Frau Oberst war ein wenig erstaunt.
    »Er ist krank«, fuhr sie fort; »willst du ihn ein wenig verpflegen und für ihn tun, was nötig ist, und etwa vierzehn Tage bei ihm bleiben?«
    Mehr als Wiselis schnelle und kurze Antwort: »Ja, gern!« sagte der Frau Oberst sein Gesicht, das ganz von einer hohen Freudenröte übergossen wurde. Die Oberstin sah das gern; doch mußte sie sich verwundern, daß Wiseli eine so besondere Freude zeigte, denn sie wußte nichts von seinem Erlebnis mit dem Andres, aber das Wiseli hatte es nie vergessen. Sie gingen nun wieder weiter. Aber nach einer Weile fügte die Frau Oberst noch bei:
    »Du mußt es dann dem Schreiner Andres sagen, daß du so gern zu ihm gekommen bist, Wiseli, er glaubt es sonst nicht; vergiß es nicht.«
    »Nein, nein«, versicherte das Kind, »ich denke schon daran.«
    Nun waren sie bei dem Hause angekommen. Hier fand die Frau Oberst für gut, das Wiseli seinen Weg allein machen zu lassen; denn nach allem, was sie bemerkt hatte, mußte es ihm nicht schwer werden, ihn zu finden. Sie verabschiedete das Kind an der Ecke und sagte ihm, am Morgen werde sie wieder herunterkommen und sehen, wie es ihm gehe in dem neuen Haushalt, und wenn der Schreiner Andres etwas brauche, das nicht da sei, so solle es zu ihr kommen. Wiseli schritt nun getrost durch das Gärtchen und machte die Haustür auf; es wußte, daß der Andres drinnen in der Kammer liege hinter der Stube. So trat es leise in die Stube ein; da war niemand drin, aber es war schön aufgeräumt noch von der alten Trine her. Es schaute alles gut an, wie es sein müsse. An der Wand hinten in der Stube stand schön geordnet und zu einem rechten Bett aufgerüstet das große hölzerne Lager, das man die Kutsche nennt; der Vorhang war fast zugezogen darüber weg, aber Wiseli konnte doch sehen, wie schön und sauber es aussah, und es wunderte sich, wer da schlafe. Jetzt klopfte es leise an die Kammertür, und auf den Ruf des Andres trat es ein und blieb ein wenig scheu an der Tür stehen. Andres richtete sich auf in seinem Bett, zu sehen, wer da sei.
    »Ach, ach«, sagte er, halb erfreut und halb erschrocken, »bist du es, Wiseli? Komm, gib mir die Hand.« Wiseli gehorchte.
    »Bist du auch nicht ungern zu mir gekommen?«
    »Nein, nein«, antwortete Wiseli zuversichtlich. Aber der Schreiner Andres war noch nicht beruhigt.
    »Ich meine nur, Wiseli«, fuhr er wieder fort, »du wärest vielleicht lieber nicht gekommen; aber die Frau Oberst ist so gut, und du hast ihr vielleicht einen Gefallen tun wollen.«

    »Nein, nein«, versicherte Wiseli noch einmal, »sie hat gar nicht gesagt, daß es ihr ein Gefallen sei; sie hat mich gefragt, ob ich gehen wolle, und ich wäre auf der ganzen Welt nirgends so gern hingegangen, wie zu Euch.«
    Diese Worte mußten den Andres ganz beruhigt haben; er fragte nichts mehr, er legte seinen Kopf auf sein Kissen zurück und schaute stumm das Wiseli an; dann mußte er sich auf einmal umkehren und ein Mal über das andere seine Augen wischen.
    »Was muß ich jetzt tun?« fragte Wiseli, als er sich immer noch nicht umkehrte. Jetzt wandte er sich und sagte mit dem freundlichsten Tone:
    »Ich weiß es gewiß nicht, Wiseli; tu du nur, was du willst, wenn du nur ein wenig bei mir bleiben willst.«
    Wiseli wußte gar nicht, wie ihm geschah. Seit es seine Mutter zum letzten Male gehört, hatte niemand mehr so zu ihm geredet; es war gerade, als spüre es die Liebe seiner Mutter wieder in Andres’ Worten und Weise. Es mußte mit beiden Händen seine Hand nehmen, so wie es oft die Mutter gefaßt hatte, und so stand es eine Weile an dem Bett, und es war ihm so wohl, daß es gar nichts sagen konnte, aber es dachte: »Jetzt weiß es die Mutter auch und hat eine Freude.«
    Gerade so dachte der Andres mit

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