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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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sich, von dem Nora immer weiter sprach und so viele schöne, herzerfreuende Dinge zu erzählen wußte, daß dem gespannt lauschenden Elsli eine ganz neue Welt aufging und den Kindern beiden die Stunden verrannen, daß sie es gar nicht merkten.
    Während die zwei so in der Stille zusammensaßen, ging es im Hause des Arztes ziemlich laut und lebendig zu. Nach der Schule waren Oskar, Emmi und Fred sofort auseinandergestoben und nach drei verschiedenen Richtungen hingerannt; jeder mußte ein eigenes Interesse im Auge haben. Fred lief nach Hause, er hatte schon den ganzen Tag im Sinn gehabt, der Tante eine höchst spannende Darstellung von einem wenig bekannten Tierlein vorzulesen, und war nie dazu gekommen. Nun er die beiden Ältesten so davonrennen sah, war er sehr erfreut und eilte nun aus allen Kräften, die Lage zu benutzen. Als er auf dem Wiesenweg den Feklitus erblickte, wie er mit Rufen und Drohen hinter dem fliehenden Elsli dreinsprengte, rief ihm Fred mit pfiffigem Lächeln nach: »Feklitus, gelt, es ist gut, daß es ein Elsli gibt, vor dem man sich nicht genieren muß?« Denn der Fred hatte herausgefunden, daß der Feklitus immer, wenn sich bei ihm eine Schwierigkeit des Verständnisses gezeigt hatte, nachher gleich dem Elsli nachsetzte; daraus zog er den Schluß, daß der Feklitus eine Aufklärung suche, aber vor den Großen der Schule nicht die Rede haben wollte, daß er sie brauche. Dann stürzte Fred weiter und langte in der kürzesten Zeit daheim in der Hausflur an, von wo er durch die offene Küchentür die Tante erblickte, die dort am Tische stand und in einem Puddingteig herumrührte. Sie las eben aufmerksam auf dem Papierchen, das vor ihr auf dem Tische lag: »Nimm vier große Eier, zwei Löffel Mehl und eine Zitronenschale –« und fuhr sehr erschrocken zusammen, als sich Fred plötzlich auf sie stürzte mit einem lauten Freudenschrei, daß er das Feld ganz leer fand und die Tante völlig für sich in Anspruch nehmen konnte. »O wie herrlich! Jetzt hör nur, Tante«, rief er aus und setzte sich gleich ganz bequem auf den Küchenschemel hin, das beliebte Buch auf seinen Knieen ausbreitend. »Du weißt doch, daß Papa einmal eine Rohrdommel gefangen hatte? Jetzt hör ihre Geschichte und ihr Leben. Eben bin ich darauf gekommen: Rohrdommel, Stellaris . Hörst du auch zu, Tante?«
    »Ja, ja, ich höre schon, nur weiter!«
    »Ist rotgelb mit schwarzen Querflecken, die Federn am Hals kragenartig. Wohnt im gemäßigten Europa, ist trübsinnig und mürrisch, stößt nachts ein eigentümliches Gebrüll aus. Die gewöhnliche Stimme lautet: Krauy! krauy! Jenes Gebrüll aber: Üprumb! üprumb! Gegen Verfolger wird er heftig. Das Weibchen legt vier große Eier –hörst du auch zu, Tante? Weißt du, was ich zuletzt gelesen habe?«
    »Ja, ja wohl: Das Weibchen legt vier große Eier, zwei Löffel Mehl und eine Zitronenschale«, sagte die Tante, unversehens ihre Gedanken verfolgend.
    Fred schaute sehr erschrocken mit weit aufgerissenen Augen zu der Tante empor, denn sie hatte ganz trocken und ohne allen Spaß so geredet.
    »Ach so«, fiel die Tante gleich wieder ein, die so viel auf einmal zu bewältigen hatte und nun ihren Irrtum gewahr wurde, »ich bin nur in das Rezept hineingekommen, fahr nur fort.«
    »Ja so, das ist etwas anderes«, bemerkte Fred beruhigt, »denn du wirst doch nicht meinen, Tante, daß Vögel Zitronenschalen legen. Jetzt weiter: Das Fleisch schmeckt nach –«
    Hier wurde die Vorlesung unterbrochen. Im Sturmschritt kam Oskar zur Tür herein und gleich hinter ihm her stürzte Emmi heran, und während sich Oskar auf die rechte Seite der Tante stellte, so nah als möglich, um sich ihr recht verständlich zu machen, drängte die Emmi sich von links an sie heran, so, daß die arbeitende Tante ihre Kelle fast nicht mehr in dem Becken herumbewegen konnte. Oskar war in großer Aufregung: »Denk, Tante, denk nur«, rief er laut und durch die Steigerung des Gefühls immer lauter, während Emmi auf der anderen Seite der Tante direkt ins Ohr hineinflüsterte, um auch verstanden zu werden, – »nun will der Feklitus auf einmal den alten Vers nicht mehr auf die Fahne, weil er einen anderen gehört hat von einem Feste her; der gefällt ihm viel besser und den will er durchaus auch auf unsere Fahne haben! Was meinst du nun, Tante? Was muß man denn machen? Du weißt nicht, wie störrig der Feklitus ist, wenn er etwas zwingen will, und wenn man nicht nachgibt, so macht er gleich nicht mehr mit.«
    »Emmi, sei

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