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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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nun den freudeglänzenden Augen des Kindes begegnete, sagte er:
    »Ja, Heidi, es könnte schön sein hier, aber was meinst du? Wenn einer ein trauriges Herz hierher brächte, wie müßte er es wohl machen, daß er an all dem Schönen sich freuen könnte?«
    »Oh, oh!« rief das Heidi ganz fröhlich aus. »Hier hat man gar nie ein trauriges Herz, nur in Frankfurt.«
    Der Herr Doktor lächelte ein wenig, aber das ging schnell vorüber.
Dann sagte er wieder: »Und wenn einer käme und alles Traurige aus
Frankfurt mit hier heraufbrächte, Heidi; weißt du da auch noch etwas,
das ihm helfen könnte?«
    »Man muß nur alles dem lieben Gott sagen, wenn man gar nicht mehr weiß, was machen«, sagte das Heidi ganz zuversichtlich.
    »Ja, das ist schon ein guter Gedanke, Kind«, bemerkte der Herr Doktor. »Wenn es aber von ihm selbst kommt, was so ganz traurig und elend macht, was kann man da dem lieben Gott sagen?«
    Das Heidi mußte nachdenken, was dann zu machen sei; es war aber ganz
zuversichtlich, daß man für alle Traurigkeit eine Hilfe vom lieben
Gott erhalten könne. Es suchte seine Antwort in seinen eigenen
Erlebnissen.
    »Dann muß man warten«, sagte es nach einer Weile mit Sicherheit, »und nur immer denken: jetzt weiß der liebe Gott schon etwas Freudiges, das dann nachher aus dem anderen kommt, man muß nur noch ein wenig still sein und nicht fortlaufen. Dann kommt auf einmal alles so, daß man ganz gut sehen kann, der liebe Gott hatte die ganze Zeit nur etwas Gutes im Sinn gehabt; aber weil man das vorher noch nicht so sehen kann, sondern immer nur das furchtbar Traurige, so denkt man, es bleibe dann immer so.«
    »Das ist ein schöner Glaube, den mußt du festhalten, Heidi«, sagte der Herr Doktor. Eine Weile schaute er schweigend auf die mächtigen Felsenberge hinüber und in das sonnenleuchtende grüne Tal hinab, dann sagte er wieder:
    »Siehst du, Heidi, es könnte einer hier sitzen, der einen großen Schatten auf den Augen hätte, so daß er das Schöne gar nicht aufnehmen könnte, das ihn hier umgibt. Dann möchte doch wohl das Herz traurig werden hier, doppelt traurig, wo es so schön sein könnte. Kannst du das verstehen?«
    Jetzt schoß dem Heidi etwas Schmerzliches in sein frohes Herz. Der große Schatten auf den Augen brachte ihm die Großmutter in Erinnerung, die ja nie mehr die helle Sonne und all das Schöne hier oben sehen konnte. Das war ein Leid in Heidis Herzen, das immer neu erwachte, sobald die Sache ihm wieder ins Bewußtsein kam. Es schwieg eine Weile ganz still, denn das Weh hatte es so mitten in die Freude hineingetroffen. Dann sagte es ernsthaft:
    »Ja, das kann ich schon verstehen. Aber ich weiß etwas: Dann muß man die Lieder der Großmutter sagen, die machen einem wieder ein wenig helle und manchmal so hell, daß man ganz fröhlich wird. Das hat die Großmutter gesagt.«
    »Welche Lieder, Heidi?« fragte der Herr Doktor.
    »Ich kann nur das von der Sonne und dem schönen Garten und noch von dem andern langen die Verse, die der Großmutter lieb sind, denn die muß ich immer dreimal lesen«, erwiderte das Heidi.
    »So sag mir einmal diese Verse, die möchte ich auch hören«, und der
Herr Doktor setzte sich zurecht, um aufmerksam zuzuhören.
    Heidi legte seine Hände ineinander und besann sich noch ein Weilchen:
    »Soll ich dort anfangen, wo die Großmutter sagt, daß einem wieder eine
Zuversicht ins Herz kommt?«
    Der Herr Doktor nickte bejahend.
    Jetzt begann Heidi:
    »Ihn, ihn laß tun und walten,
Er ist ein weiser Fürst
Und wird es so gestalten,
Daß du dich wundern wirst,
Wenn er, wie ihm gebühret,
Mit wunderbarem Rat
Das Werk hinausgeführet,
Das dich bekümmert hat.
    Er wird zwar eine Weile
Mit seinem Trost verziehn
Und tun an seinem Teile,
Als hätt’ in seinem Sinn
Er deiner sich begeben,
Als sollt’st du für und für
In Angst und Nöten schweben,
Als fragt’ er nichts nach dir.
    Wird’s aber sich begeben,
Daß du ihm treu verbleibst,
So wird er dich erheben,
Da du’s am mind’sten gläubst.
Er wird dein Herz erlösen
Von der so schweren Last,
Die du zu keinem Bösen
Bisher getragen hast.«
    Heidi hielt plötzlich inne, es war nicht sicher, daß der Herr Doktor auch noch zuhöre. Er hatte die Hand über seine Augen gebreitet und saß unbeweglich da. Es dachte, er sei vielleicht ein wenig eingeschlafen; wenn er dann wieder erwachte und noch mehr Verse hören wollte, würde er es schon sagen. Jetzt war alles still. Der Herr Doktor sagte nichts, aber er schlief doch

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