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Heidi und die Monster

Titel: Heidi und die Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter H. Johanna;Geißen Spyri
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der Hütte. Da lauschte es auf das geheimnisvolle Tosen und konnte nie genug bekommen und musste sehen und hören, wie das wogte in den Bäumen mit Macht. Zuweilen kam Heidi in die Nähe des Schupfens und wunderte
sich, dass die Ruine dem Sturme immer noch stand. Dann rief der Großvater von der Hütte aus, es möge herunterkommen, die Höhe sei zu gefährlich.
    Bald suchte Heidi Schuhe und Strümpfe hervor, nun wurde es frischer. Schließlich wurde es kalt, und der Peter hauchte in die Hände, wenn er in aller Frühe heraufkam, aber nicht mehr für lange. Über Nacht fiel frischer Schnee, am Morgen war die Alm weiß und kein einziges grünes Blättlein mehr zu sehen ringsum. Der Geißenpeter kam nicht mehr mit seiner Herde, und Heidi schaute verwundert durchs Fenster, denn die dicken Flocken fielen fort und fort, bis der Schnee so hoch wurde, dass er ans Fenster hinaufreichte, und dann noch höher, dass man das Fenster nicht mehr aufmachen konnte und ganz verpackt war im Haus.
     
    In einer solchen Nacht, als der Schnee die Hütte, den Schober im Felsengesäuse, das ganze Land, Feld und Wiesen und steile Hänge mit einem Mal zudeckte, erreichte ein schwarz gekleideter Mann das Dörfli. Er kam auf einem Schlitten gefahren, der wurde von Rappen gezogen. Obwohl der Schnee hoch lag, sanken die Rappen nicht ein, sondern zogen den Schlitten bis vor das Dorf. Es erscholl kein Schellengeläut wie bei den Schlitten der Gegend; auf den Köpfen der Rappen wippten schwarze Federbuschen. Das Zaumzeug war schwarz und auch der Pelz, der den Schlittenlenker bedeckte. Der Mann stieg aus, gab den Pferden einen Befehl, und wirklich drehten sie um und zogen den Schlitten in die schneeblinde Nacht hinaus. Bei Dunkelheit schritt der Mann in das Dörfli hinein. Sein Mantel war lang, dass er den frisch gefallenen Schnee hinter sich aufwirbelte. Obwohl
er ein Fremder war, setzte er seine Schritte zielgerade durch die engen Gassen; wenig später stand er vor dem Pfarrhaus. Er warf einen Blick zur Kirche, deren Türmchen eine weiße Mütze trug. Zwei Finger der linken Hand streckte er zur Turmspitze empor und murmelte eine Verwünschung. Der Mann schellte im Pfarrhaus.
    Der junge Pfarrer tat ihm auf und bat den Fremden, den er an der Aufmachung als wohlbestallten Herrn erkannte, herein. Sie kamen ins Warme. Als der Priester den kostbaren Pelz, den Seidenhut und die Handschuhe von Wildleder bei Licht besah, schämte er sich für seine schäbige Stube. Das Dorf war arm, selbst an der Wohnung des Pfarrers konnte man das ablesen. Er wollte dem Gast etwas zu trinken eingießen, doch der lehnte dankend ab.
    »Einen Portwein oder einen Obstbrand vielleicht nach der Kälte?« Der Pfarrer bot seine kostbarsten Schätze an.
    »Nichts, gar nichts.«
    Die Stimme des Fremden klang geschmeidig, dabei von frostiger Schärfe. Er legte den Mantel nicht ab, behielt auch die Handschuhe an. Im Schein der Petroleumlampe musterte der Pfarrer das strenge, bleiche Gesicht, die schmalen Lippen, die Nase, scharf wie die eines Raubvogels, und die alles durchdringenden Augen.
    Zu jener Zeit hatte die Pestilenz schon die hintersten Winkel der Alpentäler, die Höhen, aber auch die Städte in den Ebenen erobert. Überall regierte die Todesmacht, und der geängstete Mensch kämpfte mit schwindender Hoffnung gegen das Regiment der Finsternis. Daher war der Pfarrer wohl auf der Hut, als eine Gestalt wie der Fremde ihm seine Aufwartung machte. Zugleich bedeuteten Gäste in der Einöde
eine Seltenheit, sodass der junge Priester, ausgehungert nach Neuigkeiten, begierig war, seinen Besucher kennenzulernen.
    »Mein Name ist Professor Marus«, begann der Mann. »Ich hatte geschäftlich in Chur zu tun und erinnerte mich einer alten Bekannten, die hier aus der Gegend stammt.«
    Dass der Mann ein Professor war, gab dem Pfarrer etwas Vertrauen. Den Jahren nach mochte er fünfzig sein, vielleicht schon darüber. »Ihr sucht jemanden aus dem Dorf?«
    »Es ist manches Jahr her«, nickte der Fremde. »Mag sein, sie ist fortgezogen, mag sein, sie hat mittlerweile geheiratet. Ich mochte sie leiden, ein begabtes Menschenkind. Ich hatte ihr damals vorgeschlagen, die Universität in Zürich zu besuchen.«
    Auf das Wort Menschenkind nahm der Argwohn des Pfarrers wieder zu. Waren sie nicht alle Menschenkinder? Wer, wenn nicht ein Nichtmenschlicher, würde eine solche Unterscheidung treffen? »Ist sie eine Verwandte von Euch?«, fragte er vorsichtig.
    »Das nicht.« Der Fremde schlug den Mantel

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