Heidi und die Monster
Niänenüütli einen immer so anstarren, wenn sie herumtorkeln.«
»Tja, fremde Länder, fremde Sitten.« Der Herr lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Es gibt bei uns einen neuen Ausdruck für sie. Die Indianer, heißt es, sagen Zombie zu ihnen . « Er schloss die Augen. »Mögen die Wilden sie Zombie nennen, für mich sind das Wiederkehrer.« Damit atmete er tief aus und schlief ein.
»Tsombi«, wiederholte Heidi und mochte den Klang des Wortes recht gern. »Die Niänenüütli sind also Tsombi. Das merk ich mir.« Es legte den Kopf an Detes Schulter und war auch bald eingeschlafen.
Kapitel 9
Im Haus des Herrn Sesemann zu Frankfurt saß die kranke Tochter, Klara, in dem bequemen Rollstuhl, in welchem sie von einem Zimmer ins andere gestoßen wurde. Jetzt saß sie im sogenannten Studierzimmer, wo ihr der tägliche Unterricht erteilt wurde. Klara hatte ein blasses Gesicht, aus dem zwei milde blaue Augen herausschauten, die gerade auf die große Pendeluhr gerichtet waren, die heute besonders langsam zu gehen schien.
»Ist es denn immer noch nicht Zeit, Fräulein Rottenmeier?«, fragte sie ungeduldig.
Die Angesprochene saß aufrecht am Arbeitstisch und stickte. Sie trug einen hohen Kragen am Halbmantel, der ihr einen feierlichen Anstrich verlieh. Dieser erhöhte sich noch durch eine Art Kuppel, die sie auf dem Kopf trug, Fräulein Rottenmeiers Frisur. Seit die Dame des Hauses gestorben war, führte die Rottenmeier die Wirtschaft und hatte die Oberaufsicht über das Dienstpersonal. Sie hatte suchende Augen, die überall gleichzeitig zu sein schienen, ihre Lippen wären voll gewesen, hätte Fräulein Rottenmeier sie nicht unentwegt
aufeinandergepresst. Sie war die heimliche Herrin im Haus, denn Herrn Sesemann hielt es nach dem Tod seiner Frau meist nur kurz in Frankfurt.
Von Beruf war er Kaufmann und hatte sich auf den Vertrieb moderner Waffen spezialisiert. Seit er hatte mit ansehen müssen, wie die schrecklichen Zeiten sein geliebtes, aber schwächliches Weib dahinrafften, wie sein Töchterchen durch die Begegnung mit dem Unaussprechlichen gelähmt im Stuhl saß, war Sesemanns Kreuzzug gegen die Brut der Wiederkehrer sein Lebensinhalt. Da herkömmliche Kampfmittel gegen die Pestilenz wirkungslos schienen, hatte er in Hessen Labors eingerichtet, in denen effektivere Waffen entwickelt wurden. In Frankfurt und im ganzen Reich kamen Sesemann-Waffen zum Einsatz, mit dem Erfolg, dass die Wiederkehrer nicht nur im Einzelkampf, sondern massenweise hingemäht werden konnten. Als erfreuliche Nebenerscheinung war Viktor Sesemann zu einem wohlhabenden Mann geworden. Der deutsche Kronprinz hatte ihm für seine Dienste persönlich das Ritterkeuz zweiter Klasse am blauen Band an die Brust geheftet.
So viel Sesemann für das Gemeinwohl tat, seine Ohnmacht bezüglich Klaras Lähmung ließ ihn das Haus auf dem schönsten Platz Frankfurts häufig meiden. Er ging auf Reisen und suchte beim Glücksspiel und mit zweifelhaften Frauen Vergessen. Sesemann hatte Fräulein Rottenmeier den Auftrag gegeben, Klaras Wunsch nach einer Spielgefährtin zu erfüllen, war aber selbst nicht zugegen, um die Kandidatin in Augenschein zu nehmen.
Während Klara im ersten Stock weitere Zeichen der Ungeduld zeigte, wann die Erwartete endlich eintreffe, stand
unten, im Innern des sicheren Metallzaunes, Dete mit dem müden Heidi an der Hand.
»Ob wir Fräulein Rottenmeier jetzt stören dürfen?«, fragte sie Trojan, den obersten Wächter.
Der kräftige Mensch, der die beiden in einer gepanzerten Kutsche vom Bahnhof abgeholt hatte, knurrte: »Das ist nicht meine Sache.« Er klingelte nach Sebastian, dem Hausdiener. Mit schweren Schritten ging Trojan zu seiner Truppe, einer Dreißigschaft bester Kämpfer, an denen noch jede Rotte von Wiederkehrern gescheitert war. Herr Sesemann hatte die Truppe mit modernstem Gerät ausgestattet, zudem das Haus wie eine Festung gesichert.
Trojan betrat den Aufenthaltsraum. »Tod den Zombies«, begrüßte er die Männer.
»Tod, Vernichtung, Gemetzel«, antworteten sie im Chor. Sie trugen gepanzerte Anzüge und schwarze Helme. An der Seite baumelte ihnen das Schlitzschwert, an der Brust die Widerhaken, die sie nach flüchtenden Zombies schleuderten. Trojan inspizierte die Repetiergewehre in der Wandhalterung; sie waren mit sogenannten Krepierern geladen, die ähnlich wie Granaten funktionierten und mit einem Schuss mehreren Zombies den Garaus machten. Zufrieden ließ Trojan sich auf seinen Stuhl
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