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Heidi und die Monster

Titel: Heidi und die Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter H. Johanna;Geißen Spyri
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stürzte zu Boden. Sich mit den Armen vorwärtsziehend, schleppte sie ihren Körper, ihre nutzlosen Beine nach, kroch zur Tür, immer den einen Satz wiederholend: »Küss mich, küss mich, mein Liebster!«

    Der Professor taumelte die Treppe hinunter. Der geweihte Pflock brannte in seinem Herzen, das eigentlich keinen Schmerz empfinden konnte. Er musste das Holz loswerden, aber in diesem Körper war das nicht möglich. Marus erreichte den unteren Absatz. Dort stand Sebastian und starrte ihn an.
    »Was gibt’s zu glotzen?«, fragte der Vampir.
    »Herr Kandidat, Ihr habt da …« Der Diener zeigte auf den Pfahl.
    »Ärgerlich«, antwortete Marus. »Aber nicht lebensgefährlich.« Er schloss die Augen und senkte seine Konzentration auf die Umformung seiner selbst.
    Der verblüffte Sebastian musste mit ansehen, wie der Kandidat kleiner und kleiner wurde, wie sein eleganter Gehrock, Krawatte und Wäsche von ihm abfielen, wie dichtes schwarzes Haar aus seinem Körper spross, er auf alle viere niederging und aus einem grässlichem Tierrachen die Zähne zu fletschen begann. Dazu heulte der Kandidat mit erhobenem Schädel. Der Holzpflock aber glitt aus dem Herzen des verwandelten Vampirs und fiel auf die Steinfliesen. Der Wolf sprang auf den Diener zu, knurrte mit geiferndem Maul und verschwand zur offenen Tür hinaus.
    Sebastian, der sich fragte, ob er wachte oder träumte, bückte sich nach dem Hölzchen und hob es mit spitzen Fingern auf. Kein Blut klebte daran, nur eine graue, klebrige Substanz.
    »Na, so was«, sagte der treue Diener. »Na, so etwas.«
     
    Der Wagen preschte durch Frankfurts Straßen. Auf dem Bock saß Peter und feuerte das Pferd an. »Lauf, mein Grauer, lauf, so schnell du kannst!«
    In der Kutsche lag Heidi, der Sitz war nass von ihrem
Blut. Tinette riss große Stücke aus ihrem Rock und verband das Kind.
    »Was machst du?«, fragte Heidi, das sich mit jeder Minute schwächer fühlte.
    »Die Blutung still ich. Du darfst nicht noch mehr verlieren.«
    »Wo ist Peter?« Heidis Lider flackerten.
    »Der fährt uns.« Sie drückte den Stoff auf Heidis Hals und machte einen festen Verband. »Gebe Gott, er findet den richtigen Weg.« Sie betrachtete ihr Werk. »Jetzt siehst du aus wie ein Kind, das einen Schnupfen hat. Das wird uns nützlich sein.«
    »Wieso nützlich?« Heidi betastete seine neue Halskrause.
    »Weil am Stadttor Wachen stehen, die keinen hinauslassen, der …« Tinette wusste nicht, wie sie es sagen sollte.
    »Der ein Uuputztä ist?«, fragte das Kind.
    »Falls ein Uuputztä das Gleiche ist wie ein Vampir, hast du Recht.« Tinette ordnete das Haar des Kindes. »Du musst wie ein gewöhnliches Mädchen aussehen. Nur so kommen wir von Frankfurt aufs Land.«
    »Aufs Land.« Heidis Blick wurde schwärmerisch. »Vom Land ist es nicht mehr weit in die Berge. Und in den Bergen liegt die Alp, dort wartet der Großvater auf mich.«
    Tinette wurde ernst, wusste sie doch, dass die Verwandlung nicht aufzuhalten war. Bevor sie das ersehnte Ziel erreicht haben mochten, würde aus Heidi eine Kreatur geworden sein, weder lebend noch tot, weder froh noch traurig, ein Ungeheuer. Eine der vielen verdammten Seelen, die über die Erde wandelten und sie zu einem Totenanger machten. Tinette dachte darüber nach, ob man Heidi die ewige Qual
nicht besser ersparen und sie mit einem Pflock aus Peters Rucksack erlösen sollte. Sie schaute aus dem Fenster. Der Mond verbarg sich hinter Nebelschleiern.

Kapitel 22

    »Es ist ein Mittel, das nur der Großvater kennt.« Peter beugte sich über das kleine Wesen, dem alle Farbe aus dem Antlitz gewichen war. »Er hat schon viel damit bewirkt und hat mir ein Fläschchen mitgegeben.« Peter zeigte Tinette eine Flasche mit hellem Inhalt.
    »Was ist das?« Sie nahm es und hielt es gegen den Mond. »Was ist da drin?«
    »Ziegenmilch«, antwortete Peter. »Es kann auch noch etwas anderes sein, aber das Wichtigste ist Ziegenmilch.«
    »Mit Ziegenmilch willst du einen Vampirbiss behandeln?«
    »Der Öhi hat’s getan«, nickte der Geißenbub.
    »Ihr habt Vampire auf der Alm?« Tinette schüttelte das Fläschchen.
    »Vampire nicht, aber Niänenüütli. Der Großvater hat eine von ihnen sogar …« Peter biss sich auf die Lippe und besann sich, dass er das Geheimnis des Alten besser nicht verriet.
    Sie hatten Frankfurt glücklich verlassen. Am Stadttor hatte Tinette sich für Heidis Mutter ausgegeben und erklärt, Peter sei der Bruder. Die Wächter hatten festgestellt, dass sich

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