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Heidi und die Monster

Titel: Heidi und die Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter H. Johanna;Geißen Spyri
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sie weitersehen.
    »Ich bring dich zu Heidi, wenn du mich mitnimmst«, sagte Tinette.
    Peter musterte die Person. »Das mach ich«, antwortete er ernst.
    Schwere Schritte wurden vom Vorgarten hörbar. War es ein Wächter, war’s der Vampir? Tinette fasste den Geißenpeter an der Hand und zog ihn dorthin zurück, woher sie gekommen war. Eine Sekunde später erschien ein Wächter um die Ecke, fand das Tor verschlossen und patrouillierte weiter.
    »Eins muss ich dir sagen …« Tinette und Peter verharrten hinter der Haustür. »Hier drin ist ein Untoter.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Du weißt! Woher?«
    »Weil er seit einiger Zeit Jagd auf Heidi macht. Darum muss ich sie retten.«
    »Jagd auf Heidi? Täuschst du dich nicht?«
    »Nein«, flüsterte Peter. »Es ist ein würdiger Professor, ich kenne ihn aus dem Dörfli.«
    »Der Vampir ist kein würdiger Professor, sondern ein junger Mann.« Wachsam schaute Tinette sich in der Halle um.
    Während Peter über das Letzte noch nachdachte, zeigte sie die Treppe hinauf. »Heidis Zimmer ist oben.«

     
    Es lag erst wenige Minuten zurück, seit Professor Marus aus dem Zimmer Fräulein Rottenmeiers in den Salon gegangen war, dort eine Damastserviette vom Tisch genommen und sich den Mund abgewischt hatte. Mit einer zweiten bedeckte er seine blutrote Hemdbrust. Die Absinthflasche in der einen, das Glas in der anderen Hand, war er zu Klaras Zimmer gegangen und hatte sachte geklopft. Nun saß der Vampir am Bett der Gelähmten, die sich schon zur Nacht hingelegt hatte. Die Leselampe beschien ihr blassblondes Haar und die mageren Hände, die das Absinthglas umfassten. Klara hatte bereits sehnlich auf den Hauslehrer gewartet, auch auf die grüne Fee, die er ihr mitgebracht hatte. Nun trank sie in kleinen Schlucken.
    »Ich frage mich, ob du dir vorstellen kannst, wie es wäre, niemals zu altern«, begann Marus, »niemals zu sterben und ein ewiges Leben zu führen.«
    »O, das wäre schrecklich«, antwortete das Mädchen.
    »Wieso?«
    »Da müsste ich ja für alle Zeit in dem grässlichen Stuhl zubringen. Dann hätte das nie ein Ende …« Sie stockte. »Ein Ende, das ich mir manchmal schon herbeiwünsche.«
    »Ich verstehe dich. Aber nimm an, es gäbe die Möglichkeit, dass du nicht in dem Rollstuhl gefangen bliebest, sondern ein neues, aufregenderes Leben führen könntest.«
    »Aufregend wie das?« Der Absinth begann Klara zu umschmeicheln, unter schweren Lidern sah sie den Kandidaten an.
    »Es steht in meiner Macht, dir dieses Leben zu schenken.« Er lächelte. All die Wärme, zu der ein Untoter fähig war, lag in seinem Blick.

    »Aber wie … wie denn?«, hauchte sie. Ihre Zunge fuhr über die Lippe und leckte ein Tröpfchen ab.
    »Dazu ist nichts weiter nötig, als dass ich dich in meine Arme nehme und dir einen Kuss schenke, einen besonderen Kuss.«
    Diese Worte waren für Klara das Schönste, das ihr jemals irgendjemand gesagt hatte, noch dazu ein Mann, den sie so liebgewonnen hatte. In ihrem zwölfjährigen Herzen war eine Glut erwacht, die sie sich nicht erklären konnte und die, angestachelt vom Alkohol, Körper, Seele und Geist in Aufruhr versetzte.
    »Ja wirklich?«, hauchte Klara. Sie wagte nicht, ihn anzusehen, schaute nur ins Glas und wartete, was er als Nächstes tun würde.
    Langsam, wie unter der Last der Jahre, stand der Professor auf und trat an ihr Bett.
    »Es dauert nur einen Augenblick.«
    »Mein Leben wird hinterher tatsächlich anders sein?« Bebend erwartete Klara seinen Kuss.
    »Ganz und gar.« Er streichelte ihr Haar und beugte sich über sie.
     
    Inzwischen hatte Heidi fertig geschrieben. Sie legte die Feder weg, drückte Löschpapier auf das Heft, zog es wieder ab und betrachtete das Ergebnis mit Stolz.
    Großvater wird Augen machen, wenn ich ihm eine neue Pfeife mitbringe.
    So stand es da, und so sollte es in die Tat umgesetzt werden. Heidi hoffte, dass es noch nicht zu spät war, um Klara zu besuchen. Das Kind sprang vom Stuhl und lief zur Tür.
Auf dem Korridor hielt es inne. Wie sollte Klara, die das Haus so gut wie nie verließ, wissen, wo man eine gute Pfeife bekam? Vielleicht war es eine dumme Idee, die Freundin deshalb zu stören. Heidi wollte schon umdrehen, als es einen hellen Ton aus Klaras Zimmer hörte. Nun, zumindest war sie noch wach. Ohne zu klopfen, trat Heidi ein.
    Der Lehrer stand über Klara gebeugt. Er hatte den Mund geöffnet, und zwar so, als ob er gleich zubeißen wollte. Auf dem Boden lag ein zersprungenes Glas; das war das

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