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Heile Welt

Heile Welt

Titel: Heile Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Exemplar!, ob ihm das jetzt in den Schoß fiele? Einzig und allein in Quakenbrück befände sich seines Wissens ein solches Getreidemaß, sagte er, säuberlich geflochten, geeicht und viele Generationen lang in Gebrauch; und eine solche Rarität stand hier herum, ungleich besser in Schuß als das Exemplar in Quakenbrück, und das war doch sehr merkwürdig.
    «Sind das nicht sogar Herzen?»fragte er und strich mit der Hand fachmännisch über das Äußere des Maßes, und in der Tat, jemand hatte Verzierungen hineingeflochten in die Rundung, die gut und gern als Herzen durchgehen konnten.

    «Leider fehlt der Deckel», sagte Matthias und fuhr die sauber geflochtenen Strohringe mit dem Finger entlang.
    «Deckel? Wieso? Diese Maße hatten nie einen Deckel», sagte Klein, und dann lauschte er verliebt und lüstern dem freundlichen Gerede von Matthias, der das Dings loswerden wollte, weil es ihm im Weg stand.
    Und dann kam es auch sogleich zu einem Tauschgespräch, das, obwohl darin auch mancherlei von Grimms Märchen die Rede war, Ähnlichkeit mit den Verhandlungen von Viehhändlern hatte.

    Matthias wußte genau, was er wollte. Klein könne das Maß sofort mitnehmen, wenn er ihm dafür die Scherenschnitte gebe, die kleinen Silhouetten, er wisse schon, die bei ihm herumlägen, aus dem Offiziershaus die Dinger, angeknackst und halb verschimmelt.
    Darauf ging Klein sofort ein: Die Silhouetten in den schäbigen abgeblätterten Silberrahmen konnte er entbehren. Er hatte sie schon mal wegschmeißen wollen, die paßten sowieso nicht in seine Kollektion, und dem Pastor gönnte er sie nicht. Irgendwelche Feudalsachen aufzubewahren, das lag ihm nicht.
    Die Sache war abgemacht. Noch mal eben durch die Wohnung gucken.«Schöne Tellerborde haben Sie da…», sagte er und nahm einzelne der blauen Teller heraus, und er mochte überlegen, ob er seine Sammlung nicht doch falsch aufgebaut hatte… Im Weggehen meinte er noch leutselig, Matthias müsse aber mal was unternehmen, im Keller, der Gestank, das seien Ratten!

    Schon am nächsten Tag war Matthias die Strohtonne los, und statt dessen hingen in seinem Wohnzimmer, genau an der richtigen Stelle, die Silhouetten, schwarz auf hellblauem Papier, in abgeblätterten silbernen Rahmen. Er rückte seinen Stuhl so hin, daß er sie sehen konnte, und hustete vor Freude, und auch das Kind Marianne, um seine Meinung befragt, fand sie sehr schön. Ihr gefiel besonders der kleine Hund, der dem kleinsten Sohn des Grafen beigegeben war.
    Die Scherenschnitte waren schäbiger, als er sie in Erinnerung hatte, aber doch anrührend: ein Mann mit aufgestelltem Kragen und Brille, eine hochbusige Frau, aus deren Haarknoten sich eine Locke gelöst hatte, ein Knabe und weitere Kinder, eins immer kleiner als das andere.
    «Bin ich das?»dachte er. Ein Steckenpferd fiel ihm ein, als hätte er das einmal gehabt, mit kleinem Rad hinten dran, und Mädchenkleider getragen als Kind. Die Frau bringt auf dem Tablett eine Tasse Schokolade, und der Hausherr steht am Pult. Was war es? Wie?

    War das die Vorfamilie, hundert Jahre zuvor? Und würde es jemals eine«Nachfamilie»geben, sogenannte Nachfahren? Vielleicht, dachte er, kommt Ellinor ja mal zu Besuch, dann muß sie auf der Polsterbank sitzen unter den Silhouetten und eine Tasse Schokolade trinken.
    Zu diesem Zweck mußte allerdings noch reguläres Geschirr besorgt werden, das fehlte in seinem Hausstand. Schokolade konnte nicht aus derben Bauerntassen getrunken werden, Steingut auf blank poliertem runden Tisch, in dessen Platte Rankenwerk eingelegt ist? Nein. Zierliches Geschirr gehörte auf den Tisch, und für die Sofavitrine müßte eine Porzellanfigur beschafft werden, ein Knabe vielleicht, der eine übergroße Weintraube stemmt.

    Am nächsten Tag fuhr er zum Trödler. Vielleicht hatte der ja irgendein brauchbares Geschirr?
    Der Mann saß wie eh und je vor seiner Scheune, die Melone auf dem Kopf, der hatte ihm inzwischen verziehen. Zu oft war er schon hereingelegt worden, so was stumpft ab. Ob er mal wieder hineingehen darf?, fragte Matthias, und sich alles ansehen? – Ja, das durfte er.
    In den ehemaligen Stallkoben war ein ziemliches Durcheinander. Im Dämmerlicht die großen Bauernschränke – und«Biedermeier mit Übergang zum Barock». Die Behinderten-Rollstühle mit Pott drin gab es immer noch zu betrachten, Klistiere in weißen Emailleschüsseln, und die Massagebank. Hinterlassenschaft des Arztes, der seine Praxis aufgegeben hatte.

    «Ich brauch’

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