Heile Welt
registriert: Es waren alle gekommen, die wollten, daß auch zu ihrer Beerdigung alle kämen.
Die Klappe zum Heuboden war offen, ein Schwall Heu hing herunter, und Hühner gingen zwischen den Leuten umher, mit schiefgelegtem Kopf, hier ein Korn, da ein Korn, und der Sarg, vor dem Flett, von einer schwarzen, mit Silber bestickten Zierdecke bedeckt, die zur Beerdigungsausstattung des Dorfes gehörte. Manchen, der in den vorderen Reihen saß, kannte man nicht, das waren entfernte Verwandte in städtischer Kleidung, und so mancher, der in den hinteren Reihen saß, wurde kaum erkannt: so lange nicht gesehen und nun auch schon älter geworden.
Nachbar Fitschen mit den Seinen hatte sich durch eine Seitentür hereingedrückt. Es mochte sein, wie’s wolle, der saß nun auch mit auf der Diele, und er sah bei der Gelegenheit, daß der alte Freede noch kurz vor seinem Tod eine neue Schweinefutterkochmaschine angeschafft hatte. Hätt’ er gar nicht gedacht, daß der eine so moderne Schweinefutterkochmaschine besitzt… Als die Engländer kamen, hatte Freede mit den Tommies gesprochen und zu seinem Hof hinübergezeigt, und dann war der Vater abgeholt worden und erst nach zwei Jahren angekrochen gekommen.
Unter den Trauergästen befand sich auch der ostpreußische Baron, der hatte damals, 1945, im Backhaus der Freedes Aufnahme gefunden, mit Papagei, ohne Heizung und ohne alles, aber immerhin ein Dach überm Kopf. Nun in tadellosem Anzug, die Adlernase in die Gegend gestreckt.
Auf dem Hof stand der sauber gewaschene Sargwagen, schwarz gestrichen, mit silbernen Palmzweigen links und rechts, und die Pferde mit einem Federkopfschmuck versehen, der bald würde erneuert werden müssen, und silberverbrämten schwarzen Decken über dem Rücken. Sie scharrten mit den Hufen und zogen sich mit dem Maul die Zügel bequem, ungewohnte Arbeit hatten sie heute zu verrichten: einen leichten Wagen zu ziehen. Die gußeiserne Tafel neben der grünen Dielentür.
Z
ZUM GEDENKEN AN UNSERN SOHN
JOACHIM FREEDE
1923 – 1941
Diese Schrift wurde mit silberner Ofenbronze hervorgehoben.
Matthias saß mit seinen Großen an der Tür. Es war in der Börde Sitte, daß Kinder dem Sarg folgten und sangen. Bauer Freede war es gewesen, der ihnen gelegentlich den Fußball weggenommen hatte, daran erinnerten sie sich jetzt.
Der Posaunenchor blies einen Choral, und dann sprach Pastor Ortlepp, und zwischen die Worte des Pastors, auf einfache Herzen zugeschnitten und laut hervorgebracht, klirrten die Ketten der Kühe, und ab und zu platschte es. Daß Bauer Freede im zweiundsiebzigsten Jahre seines Alters, sagte er – Müh und Arbeit und nichts weniger als köstlich – einen sanften Tod erlitten habe, Witwer seit fünfzehn Jahren, und der Hoferbe 1942 in Rußland geblieben… Dann wurde gebetet, und dann blies der Posaunenchor das alte Lied, das bisher noch immer gesungen worden war, das aber nun ausgemerzt werden sollte aus dem Gesangbuch, was junge Theologen forderten, weil es zu süßlich sei:
So nimm denn meine Hände und führe mich
bis an mein selig Ende und ewiglich.
Ich mag allein nicht gehen, nicht einen Schritt
wo du willst gehn und stehen, da nimm mich mit…
Es wurde lauter gesungen als die anderen Lieder: Wir lassen uns das nicht nehmen!, sollte das bedeuten, in Kreuzthal war diese Art Liedgut vom Superintendenten bereits ausgetrocknet worden. Die Männer der Nachbarschaft hoben den Sarg an und trugen ihn im Gleichschritt hinaus, Carla und ihre Verwandtschaft folgten ihm dicht auf. Die Schützenbrüder mit ihrer Fahne.
Als die Träger mit dem Sarg die Dielentür passierten, hielten sie einen Augenblick inne. Fünfzig Jahre Herr über die Wirtschaft: aussäen und ernten, und der Hoferbe in Rußland geblieben.
Nun weiter im Text, den Toten in seinem Sarg, die Füße voraus, über den Hof tragen, anheben und auf den Wagen schieben. Bauer Knoop stieg auf den Bock und sagte Hü!, und der Wagen ruckte an. Matthias und seine Kinder folgten den Leidtragenden, und dann zog die Trauergemeinde aus dem Hause aus: Die Männer setzten den Zylinder auf, die Frauen hielten die Hände vorm Bauch gefaltet.
Jesus, meine Zuversicht
und mein Heiland ist im Leben –
Dieses weiß ich; soll ich nicht
darum mich zufriedengeben…
sang Matthias mit den sieben Großen: Aufpassen, daß man sich nicht gegenseitig auf die Hacken tritt!
Es war eine leichte Sache für die Pferde, den Wagen zum Friedhof zu ziehen, sie waren andere Last gewohnt. Die Zylinderhüte der
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