Heile Welt
vielleicht so viel daran verdienen, daß man den Job hier aufgeben kann und eine Stange Geld verdienen?
Diese Überlegungen hinderten ihn nicht, Matthias zu lauschen, die Hände-Stunde war ja vielleicht doch realisierbar -«Wie ging das man noch gleich?»- und: sofort morgen in der Klasse einen Haken für den Mantel anbringen, damit der Schulratspaletot nicht auf dem geölten Fußboden schleift. Das war immerhin eine wertvolle Information, damit konnte man schon einiges abfedern. Hinter der Garage standen Kaninchenställe mit weißen, schwarzen und gefleckten Insassen. Die Vorhängeschlösser waren mit kleinen Lederkappen vorm Verrosten geschützt. Zwölf Kaninchen besaß Kollege Stichnoth, das ergab jeden Monat einen Braten.
Während sie da so saßen und miteinander redeten, kamen zwei Schüler um die Ecke mit Schulheften in der Hand.
«Zeigt her! »sagte Stichnoth, und die Jungen reichten ihm die Hefte. Er nahm sie und schlug sie ihnen um die Ohren:«Was ist denn das für ein Schmierkram? Um sechs Uhr alles noch mal vorzeigen! »Und zu Matthias:«Was glaubst du, wie die spuren!»
Die beste Methode sei, wenn einer mal nicht spurt, ihn den ganzen Tag vor sich herlaufen zu lassen, immer in einem Meter Abstand, in den Pausen zum Beispiel, wie das die Leute ankotzt! Die Schadenfreude der andern käme ja noch hinzu. – Aber – eh’ er’s vergesse: niemals jemanden hinter sich herlaufen lassen, dann schnitten die nämlich Fratzen oder zeigten ihm den Vogel. Auch nicht seitlich, das wäre eine Aufforderung zum Anbiedern.
Auch gut wäre es, sie absolut zu übersehen, einen Monat lang nicht ansprechen und seitab auf eine leere Bank setzen. Oder eben, nachmittags die Hausaufgaben zeigen lassen – der ganze Tag wär’ denen dann versaut, und von den Eltern kriegten sie noch ein nasses Jahr zusätzlich, weil sie beim Melken nicht helfen können.
Mit den Mädchen müsse man subtiler vorgehen, da hätte er auch so seine Methoden, da lieber mit Lob arbeiten: Für die Mädchen hatte er rote und blaue Schärpen. Die Schärpenmädchen mußten aufpassen, daß keiner spricht, oder wenn er mal rausgegangen ist, die Störenfriede an die Tafel schreiben.
In seiner Polizistenzeit hatte er auch gewisse Tricks praktiziert, um die Leute kirre zu kriegen, Handschellen eine Nummer zu eng stellen, zum Beispiel, oder in den Arsch treten, wenn grade mal keiner guckt. Aber das war auf Schulverhältnisse ja leider nicht zu übertragen.
Wie nebenbei führte Stichnoth ihn zu einer kleinen Bastelarbeit, auf die er stolz war: Aus Blechabfällen der Stanzerei Jakobsen hatte er eine Wasserbahn gebaut, die stand mitten im Garten. Er drehte einen Wasserhahn auf, und da sprang auch schon eine dünne Fontäne in die Rinnen, brachte Wasserräder zum Laufen und kleine Wippen klappernd zum Wippen. Ein bißchen verliebt guckte Stichnoth sich das Geplätscher an, und Matthias dachte an seine Kugelbahn.
Nun kam ein Bauer mit seinem Trecker gefahren, der winkte Stichnoth, er soll man eben rankommen, da funktioniert was nicht… Und Stichnoth ging zu ihm, und dann wurde aufs Gas gedrückt, daß es hinten blaue Wolken auspuffte – eben mal abstellen den Motor, die Motorhaube aufklappen, wieder starten… So ging das eine ganze Weile – das war nicht sehr unterhaltsam. Endlich fuhr der Bauer davon. Diesen Mann würde Stichnoth auf seiner Seite haben, wenn’s mal Schwierigkeiten mit der Gemeinde gibt.
Dann kam seine Frau in den Garten geradelt. Was Matthias für einer ist?, fragte sie ihren Mann. Sie gingen ins Haus und nuschelten da was herum. Sie kann das ja nicht ahnen, daß er hier Besuch hat, und ob der nicht bald abhaut? Kam dann aber doch noch raus in den Garten, ob es sich bei ihm um jenen Menschen handelt, der aus den Händen lesen kann? – Ja, der ist es. Sie hielt ihm die Patschhand hin und machte ein gewinnendes Gesicht, damit es recht gut ausfällt, was in ihren Händen steht. Matthias beugte sich über sie und fuhr ihr mit bedenklicher Miene mit dem Finger in der Handfläche herum, daß es sie schauerte, und murmelte allerhand Alarmierendes vor sich hin, worauf die Frau ihm die Hand entzog und sagte, sie hat gleich gedacht, daß das Quatsch ist. – Bald waren Küchengeräusche zu hören, und der Geruch nach Steaks kräuselte sich in den Garten.
Daß er hier nicht zum Essen eingeladen werden würde, nach derlei finsteren Prognosen, war ihm klar. Also verabschiedete sich Matthias. Stichnoth nahm sein Fahrrad, stellte ihm den Lenker
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