Heile Welt
Holzauge sei wachsam!, Schublade auf und Stunde römisch II herausholen und abrollen lassen die Sache.
«Der hat vielleicht Augen gemacht!»
Und weil die Sache gut funktionierte, habe er nun erst mal Ruhe hinsichtlich unangemeldeter Visitationen, obwohl, es könne ja sein, daß es dem Mann gefällt, eine Woche später noch einmal zu visitieren, weil der Kandidat sich in Sicherheit wiegt und die Zügel schleifen läßt. In solchem Fall: einfach die Stunde römisch I oder III herausholen…
«Holzauge, sei wachsam!»
Stichnoth hörte aufmerksam zu, er mochte daran denken, wie es ihm gelingen könnte, vor einer solchen behördlichen Untersuchung zu bestehen. Der Schulrat war schon mal bei ihm gewesen, aber nicht zur Unterrichtszeit, sondern nachmittags, weil mit dem Vergaser seines Autos was nicht in Ordnung war, vielleicht galt das ja auch ein bißchen als Visitation, zumal der Schaden in wenigen Minuten hatte behoben werden können – der Filter war von Mücken, Fliegen und Staub verstopft gewesen und hatte nur gereinigt zu werden brauchen. – Vielleicht dachte der Schulrat ja: Ein Mensch, dem es gelingt, mein Auto innerhalb von fünf Minuten zu reparieren, bei dem muß auch der Klassenbetrieb in Ordnung sein, in jeder Hinsicht ausgewuchtet und gut geölt.
Aber immerhin. Es empfahl sich, diese Angelegenheit nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Er registrierte also die Informationen, die ihm geboten wurden. Er spitzte die Ohren und ließ sich von den Gewohnheiten und Vorlieben beziehungsweise Macken des Mannes erzählen, von dem so unendlich viel abhing. Er würde sich weiter umhören, das nahm er sich vor, in andern Dörfern, bei anderen Kollegen.
«Existiert das Prüfungsbuch eigentlich noch?»
Ob Matthias ihm nicht eine seiner vorbereiteten Vorbereitungen ausborgen könne?, fragte er, diese Musterstunden oder was auch immer, die würde er dann ein wenig abändern und ihm in der nächsten Woche zurückgeben? – Hierauf mochte Matthias nicht eingehen, das hätte gerade noch gefehlt. Statt dessen beschrieb er ihm die Stunde von Elfriede Wehrhahn in Hamersiek, die Sache mit den Händen. Die Hand als ein Bittendes oder Abwehrendes, ein Lockendes und Beschwichtigendes… Stichnoth sah sich seine eigenen Hände an und machte ein nachdenkliches Gesicht. Nach solchen Spitzfindigkeiten stand ihm der Sinn nicht. Er für seine Person hoffte mit anderem zu bestehen, er würde auf dem Schulhof einen Verkehrsgarten einrichten, Hauptstraßen und Nebenstraßen und Kreisverkehr. Auf dem dann die Kinder einweisen, mit Rollern und Seifenkisten, daß sie stets rechts fahren müssen, und was ein Stoppschild ist. So etwas kann nicht früh genug eingeschliffen werden. Wenn er das dem Schulrat vorführe, dann würde der sicherlich beeindruckt sein. Er überlege, ob man nicht sogar Kontaktleisten einbauen könne, nach dem Prinzip elektrischer Weidezäune, womit die Kinder kleine elektrische Schläge kriegen, wenn sie sich nicht verkehrsgerecht verhalten. Bei Rot über die Kreuzung fahren: zack! ein elektrischer Schlag.
Insgeheim dachte er daran, den Posten eines Verkehrsunterrichtsberaters beim Schulrat zu besetzen, als ehemaliger Polizist? Das bot sich doch an! Mit dem Schulrat von Dorf zu Dorf fahren und den ganzen Schulaufsichtskreis mit Verkehrsgärten überziehen und dann regelmäßig inspizieren und Berichte schreiben. – Fahrradkontrollen durchführen, ob die auch alle verkehrstüchtig sind. Verkehrslotsen rekrutieren. Van Dechterong hatte bereits gesagt: Es ist fabelhaft, was Sie für Ideen haben!, der würde ihn vielleicht vorschlagen als Verkehrsberater; Schriftführer im Lehrerverein war er ja schon. Und wenn die alten Säcke das nicht vorschlagen, daß er Verkehrsberater beim Schulrat wird, alles hinschmeißen, dann kuschen die? – Vielleicht gab es für den Posten eines Verkehrsberaters beim Schulrat sogar Unterrichtsentlastung: zwei Stunden im Monat? Und Aufwandsentschädigung? Vielleicht auch mal einen Kursus in der Pfalz?
In Stichnoths Steingarten, den sein Vorgänger angelegt hatte, blühten durchaus noch einige Moose. Auf den Steinterrassen hatte Stichnoth jedoch rostige Autoteile abgelegt, denen er ein reinigendes Ölbad angedeihen lassen wollte. Vielleicht würde es ihm ja gelingen, den BMW wieder flottzukriegen, und dann bei der nächsten AG damit vorgefahren kommen, was die Leute dann wohl staunten? Und den dann verkaufen und andere Wagen kaufen und auch flottmachen und auch verkaufen und
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