Heilige Mörderin: Roman (German Edition)
sagt, ja.«
»Die Fenster und die Glastüren auch? Waren sie verriegelt?«
»Als die Kollegen kamen, war alles zu – außer dem Badezimmerfenster im ersten Stock.«
»Und könnte durch dieses Fenster jemand eingedrungen sein?«
»Ich habe es noch nicht genau überprüft, aber ich glaube nicht.«
»Dann war es vielleicht doch Selbstmord.« Kusanagi setzte sich auf einen Sessel und schlug die Beine übereinander. »Wer sollte seinen Kaffee vergiftet haben? Wie hätte der Mörder ins Haus kommen sollen? Wieso glauben die Kollegen, es sei Mord gewesen?«
»Stimmt, für einen Mordverdacht bräuchten wir etwas mehr.«
»Was haben wir sonst noch?«
»Als die Kollegen den Tatort untersuchten, klingelte das Handy des Toten. Der Anruf kam von einem Restaurant in Ebisu. Mashiba hatte dort für acht Uhr einen Tisch bestellt. Für zwei Personen. Da er nicht aufgetaucht ist, wollten sie nachfragen. Die Reservierung hatte er gegen halb sieben vorgenommen. Wie gesagt, hat Frau Wakayama Herrn Mashiba gegen sieben angerufen und nicht erreicht. Schon ein bisschen ungewöhnlich, oder? Ein Mensch, der um halb sieben einen Tisch in einem Restaurant reserviert und dann um sieben Selbstmord begeht.«
Kusanagi runzelte die Stirn und kratzte sich mit einem Finger die Augenbraue. »Das hättest du mir auch gleich sagen können.«
»Wegen Ihrer Fragen bin ich noch nicht dazu gekommen.«
»Ist ja gut.« Kusanagi schlug sich auf die Knie und stand auf.
Utsumi kam aus der Küche und stellte sich erneut vor den Wandschrank.
»Kishi bringt uns gerade auf den neuesten Stand, also laufen Sie nicht dauernd weg«, ermahnte Kusanagi die junge Frau.
»Ich konnte alles hören. Vielen Dank, Herr Kishitani.«
»Bitte«, sagte Kishitani mit einer kleinen Verbeugung.
»Was ist denn mit dem Schrank?«
»Schauen Sie mal.« Utsumi deutete in den Schrank. »Dieses Regal sieht verglichen mit dem Rest ziemlich verlassen aus. Finden Sie nicht?«
Tatsächlich wirkte es unnatürlich leer. Als hätte jemand Geschirr herausgenommen.
»Sie haben recht.«
»In der Küche stehen fünf gewaschene Champagnergläser.«
»Die stehen vermutlich normalerweise hier.«
»Glaube ich auch.«
»Na und? Was ist damit?«
Utsumi sah Kommissar Kusanagi an und öffnete ein wenig den Mund. Dann schien sie es sich anders zu überlegen und schüttelte den Kopf.
»Es ist nicht wichtig. Offenbar haben die Mashibas vor kurzem etwas gefeiert. Sonst benutzt man ja keine Champagnergläser.«
»Solche reichen Leute haben sicher öfter Gäste. Allerdings ist das noch lange kein Grund sich umzubringen.« Kusanagi wandte sich Kishitani zu und fuhr fort. »Die Menschen sind kompliziert und voller Widersprüche. Ob nun kurz vor einer Party oder nachdem man im Restaurant einen Tisch reserviert hat – wer sterben will, stirbt.«
»Hm.« Kishitani nickte unverbindlich.
»Und die Frau?«
»Welche Frau?«
»Na, die Ehefrau des Opfers … pardon, des Verstorbenen. Habt ihr sie erreicht?«
»Nein, noch nicht. Frau Wakayama zufolge hält sie sich in Sapporo auf. Noch dazu in einem entlegenen Außenbezirk. Aber heute Abend kann sie ohnehin nicht mehr kommen.«
»Aus Hokkaido? Nein, unmöglich.« Kommissar Kusanagi war insgeheim erleichtert, denn andernfalls hätte jemand auf sie warten müssen. Und garantiert hätte sein Chef Mamiya ihn mit dieser Aufgabe betraut.
Inzwischen war es so spät, dass sie auch die Befragung der Nachbarn verschieben mussten. Als Kusanagi gerade Hoffnung schöpfte, bald wieder nach Hause zu können, erschien das kantige Gesicht seines Vorgesetzten in der Tür.
»Da sind Sie ja endlich, Kusanagi. Wo bleiben Sie denn?«
»Ich bin doch längst hier. Kishitani hat mich auf den aktuellen Stand gebracht.«
Mamiya nickte und wandte sich um. »Bitte, kommen Sie doch herein.«
Hinter ihm betrat eine etwa fünfundzwanzig Jahre alte, schlanke Frau das Wohnzimmer. Ihr schulterlanges Haar war – ungewöhnlich für eine Frau ihres Alters – schwarz. Es unterstrich ihre helle Haut. Besser gesagt, ihre momentane Blässe. Sie war unbestreitbar attraktiv. Und verstand es, sich dezent, aber wirkungsvoll zu schminken.
Kusanagi schloss, dass es sich um Hiromi Wakayama handelte.
»Sie sagten, Sie hätten die Leiche entdeckt, gleich nachdem Sie das Zimmer betreten hatten. Das heißt, Sie müssten etwa dort gestanden haben, wo Sie jetzt stehen, ja?«
Hiromi Wakayama schaute auf und warf einen Blick in Richtung Sofa.
»Ja, ich glaube, hier habe ich gestanden«,
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