Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
hätte man meinen können, er würde Fen der Komplizenschaft mit einer zügellosen und schändlichen Organisation bezichtigen.
»Ich weiß es wirklich nicht. Ich kann nur sagen, was ich gehört habe.«
»Hätten Sie vielleicht etwas dagegen, wenn ich mit Ihnen nach Tolnbridge komme? Ich bin das Kaufhaus satt. Und jetzt, wo wir Krieg haben, kommt es mir so weit weg von allem vor –«
»Könnten Sie nicht in die Armee gehen?«
»Nein, die wollen mich nicht. Letzten November habe ich mich freiwillig gemeldet, aber sie haben mir Tauglichkeitsgrad vier gegeben, ich bin natürlich zum Luftschutz gegangen, und ich überlege, ob ich mich zur Bürgerwehr melde, aber verflixt noch mal –«
»Sie sehen aber doch ganz gesund aus«, sagte Geoffrey.
»Bin ich auch. Mir fehlt nichts, nur meine Augen sind nicht die besten. Aber deshalb kriegt man doch nicht gleich Tauglichkeitsgrad vier , oder?«
»Nein. Vielleicht«, schlug Geoffrey ermutigend vor, »haben Sie ja eine verborgene tödliche Krankheit, von der Sie nichts wissen.«
Fielding ging nicht darauf ein. »Ich will aktiv etwas für mein Vaterland tun – irgendwas Romantisches.« Er tupfte sich wieder die Stirn ab und sah dabei alles andere als romantisch aus. »Ich habe versucht, zum Secret Service zu gehen, aber ohne Erfolg. In diesem Land kann man nicht zum Secret Service gehen. Nicht einfach so.« Und er klatschte in die Hände, um gleichsam eine platonische Idee der Leichtigkeit anzudeuten.
Geoffrey überlegte. Angesichts der jüngsten Geschehnisse wäre es wahrscheinlich äußerst nützlich, Fielding auf der Reise bei sich zu haben, und es gab keinen Grund zu der Annahme, daß der junge Mann tiefere Beweggründe hatte.
»… Schließlich ist der Krieg noch nicht so mechanisiert, daß Tapferkeit des einzelnen keine Rolle mehr spielt«, sagte Fielding gerade; er wirkte wie entrückt in irgendein Walhalla von Secret-Service-Agenten. »Sie lachen mich bestimmt aus« – Geoffrey verneinte rasch mit einem wenig überzeugenden Lächeln – »aber auf lange Sicht sind es gerade die Leute, die davon träumen, die Dinge in die Hand zu nehmen, die dann auch tatsächlich die Dinge in die Hand nehmen. Zugegeben, Don Quichote hat sich zum Narren gemacht mit diesen Windmühlen, aber wenn man mal richtig drüber nachdenkt, waren da wahrscheinlich wirklich irgendwo Riesen.« Er seufzte leise, als das Taxi in die Marylebone Road einbog.
»Ich würde Sie wirklich sehr gerne mitnehmen«, sagte Geoffrey. »Aber – was ist mit Ihrer Arbeit? Ohne Geld können Sie doch nicht leben.«
»Das ist kein Problem. Ich habe von Haus aus etwas Geld.« Fielding gelang es, seinem Gesicht den Ausdruck flüchtiger Überraschung zu geben. »Oh, das hätte ich vielleicht erwähnen sollen. Debrett, Who’s Who und ähnliche Publikationen bezeichnen mich als Earl.«
Geoffrey wollte schon amüsiert losprusten, aber Fielding wirkte derart selbstsicher, daß er es sich verkniff.
»Natürlich nur ein ganz kleiner«, schob der andere rasch nach. »Und ich habe mir den Titel weiß Gott mit nichts verdient, ich habe ihn geerbt.«
»Wieso in aller Welt«, sagte Geoffrey, »haben Sie denn in dem Laden gearbeitet?«
»Kaufhaus«, korrigierte Fielding ihn ernst. »Nun, mir war zu Ohren gekommen, daß das Personal in Geschäften knapp war, wegen der Mobilisierung und so weiter, also dachte ich mir, daß das eine Möglichkeit für mich wäre zu helfen. Natürlich nur vorübergehend«, fügte er vorsichtig hinzu. »Bloß als Scherz«, schloß er kleinlaut.
Geoffrey konnte seine Erheiterung nur mit Mühe unterdrükken.
Plötzlich lachte Fielding auf.
»Es ist wohl wirklich ziemlich lachhaft, wenn man es recht bedenkt. Übrigens« – ihm kam plötzlich ein Gedanke – »sind Sie Geoffrey Vintner, der Komponist?«
»Natürlich nur ein ganz kleiner.«
Zum erstenmal nahmen sie einander richtig in Augenschein und fanden das Ergebnis angenehm. Das Taxi fuhr holpernd in die Dunkelheit von Paddington hinein. Ein plötzliches Geräusch schreckte sie auf.
»Verdammt noch eins«, sagte Fielding. »Das Mistnetz ist schon wieder runtergefallen.«
Kapitel 2
Reise nicht zum Vergnügen
A crowd is not company, and faces are but a gallery of pictures, und talk but a tinkling cymbal where there is no love.
Francis Bacon
Denn eine Menge ist noch keine Gesellschaft, und Gesichter sind nur eine Bildergalerie, wie Gespräche nur eine klingende Schelle, wo die Liebe fehlt.
Nach der halbdunklen, weitläufigen Halle
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