Heimat Mars: Roman (German Edition)
Hotelzimmer aus machen … Eine kurze Zugreise brachte uns nach Pennsylvania, wo wir uns mit Amish-Freunden von Sylvan Earth trafen, die ihren Leuten endlich die Benutzung von Computern, allerdings nicht von Denkern, genehmigt hatten …
Zurück in Washington, folgte eine geführte Besichtigungstour durch die Kongressbibliothek und das Smithsonian Luft- und Raumfahrtmuseum.
Die ursprüngliche Kongressbibliothek hatte man mit Helium versiegelt. Sie war jetzt nur noch in Druckanzügen zugänglich. Man bot uns keine Gelegenheit, sie vor Ort zu besichtigen. Roboter schwärmten durch ihre Säle. Sie bewachten und registrierten unzählige Milliarden gedruckter Bücher und Zeitschriften. Seit dem Jahr 2049 wurden keine Papierausgaben mehr akzeptiert. Die meisten Forschungsprojekte stützten sich seither auf die elektronischen Archive, die eine kleine Kammer einige hundert Meter unterhalb der alten Bibliothek füllten. Alice nahm so viel sie brauchte von der Bibliothek auf, aber selbst ihre riesigen Speicherkapazitäten wären überfordert gewesen, wenn sie alles abgespeichert hätte.
Im Museum für Luft- und Raumfahrt blieben wir vor Bildern stehen, die sich am Fuß der lebensechten Reproduktion eines Raumschiffes befanden. Es handelte sich um das erste Raumschiff, das auf dem Mars gelandet war, die Captain James Cook. Das Original hatte ich in meiner Vorschulzeit gesehen. Mir erschien die Reproduktion unter der Museumskuppel größer als das Original, das in Elysium im Freien stand.
Die Erde bot uns allzu viel. Es bestand die Gefahr, dass wir erschöpft sein würden, noch ehe unser wichtigster Tag angebrochen war …
Wir betraten den Saal, in dem die Anhörung stattfinden sollte: prächtiger Stein, warmes dunkles Holz, Polsterstühle aus dunklem Kunstleder. Bithras, Allen und ich hatten uns absichtlich nach konservativer Marsmode gekleidet. Alice befand sich auf ihrem frisch polierten Wägelchen.
Mit unserer synthetischen Kleidung und unserem natürlichen Erscheinungsbild müssen wir wohl wie Landpomeranzen in einer LitVid-Komödie gewirkt haben. Aber wir wurden von fünf Senatoren des Ständigen Ausschusses für Angelegenheiten des Sonnensystems und des erdnahen Weltraums respektvoll begrüßt. Einige Minuten lang unterhielten wir uns mit den Senatoren und einigen ihrer Mitarbeiter über Belanglosigkeiten. Die Atmosphäre war höflich, aber steif. Wieder spürte ich, dass irgend etwas nicht ganz stimmte, genau wie Bithras, dessen Nasenflügel bebten, als er seinen Platz hinter einem langen Ahorntisch einnahm. Allen beugte sich herüber und fragte mich: »Warum geben wir unsere Stellungnahme nicht vor dem ganzen Ausschuss ab?« Ich wusste es nicht.
Ich saß links von Bithras auf einem harten Holzstuhl, Allen rechts von ihm. Alice war mit dem Denker des Senats, Harold S., verbunden, der dem Senat schon seit sechzig Jahren diente.
Die Galerie war leer. Offensichtlich sollte das eine Anhörung unter Ausschluss der Öffentlichkeit werden.
Die Senatorin Kay Juarez Sommers, die Neu-Mexiko vertrat und den Ausschuss leitete, eröffnete die Anhörung mit einem Hammerschlag. »Ich heiße unsere hochgestellten Gäste vom Mars willkommen. Sie ahnen gar nicht, wie merkwürdig eine solche Begrüßung für eine alte Erdenbürgerin wie mich ist, selbst heute noch. Vielleicht sollte ich meine Kapazitäten, was die Phantasie betrifft, erweitern lassen. Bestimmt denken das einige meiner Kollegen …« Sie war Mitte Siebzig, sofern man das nach ihrem selbstgewählten Äußeren beurteilen konnte. Sie war klein und drahtig, hatte klare, schlichte Gesichtszüge, eine sanfte Stimme und trug strenges Schwarz und Grau. Die Senatorin Juarez Sommers hatte es sich in ihrem Leben nicht leichtgemacht und sich gegen offensichtliche Veränderungen ihres Körpers entschieden.
Der Anhörung wohnten außerdem bei: Senator John Mendoza, Utah – groß, stämmig, auf strenge Art attraktiv, Schokoladenhaut. Senator David Wang, Kalifornien – weißblond, goldene Haut, ganz offensichtlich künstlich verschönert. Senator Joe Kim, Grünes Idaho – mittelgroß, grauhaarig, mit einer Miene ständigen Misstrauens (vielleicht war es ja auch Scharfblick).
»Mr. Majumdar, wie Sie sehen, findet diese Anhörung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt«, eröffnete Juarez Sommers. »Wir haben maßgebliche Mitglieder des Ständigen Ausschusses zu dieser Sitzung gebeten, die Ihre Stellungnahme entgegennehmen werden. Wir werden ganz offen miteinander reden, da
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