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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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beide umbringen.«
    »Wir können ihn ja mal versuchen«, sagte ich.
    Man hatte den Zapfhahn inzwischen zur Wand gedreht. Charles befahl einem der Wartungsroboter, einen Gabelstapler zu holen und den Bottich herumzuschwenken. Nachdem der Roboter den Auftrag ausgeführt hatte, konnten wir das Fass anzapfen. Charles ging los, um Gläser zu besorgen, und ließ mich in dem kühlen, kahlen Raum mit meinen Gedanken allein.
    Ich starrte die schwammigen Felswände an und sagte dann laut: »Was, zum Teufel, mache ich hier eigentlich?« Ich war weit von jeder Siedlung oder Stadt entfernt. War mit einem jungen Mann zusammen, über den ich nur wenig wusste. Setzte mich einer Situation aus, die womöglich noch sehr unangenehm werden konnte. Handelte wider mein besseres Wissen – ganz zu schweigen von den Plänen und Hoffnungen, die ich früher für eine Gelegenheit wie diese gehegt hatte. Denn selbstverständlich war ich davon ausgegangen, dass ich einen Kandidaten aussuchen und ausprobieren würde, der bestens für eine ernsthafte Beziehung und eine höchst bedeutsame liebende Zweisamkeit geeignet war.
    Offensichtlich wusste ich selbst nicht, was ich überhaupt wollte. Ich mochte Charles, er war ganz bestimmt ein angenehmer Mensch, aber er war nicht …
    … Sean Dickinson.
    Ich zog eine Grimasse und kniff mich zur Strafe in den Oberarm. Wäre Sean Dickinson hier, dachte ich, dann wären wir vielleicht schon miteinander ins Bett gegangen … Allerdings konnte ich mir vorstellen, wie Sean morgens aufwachte und mich nach einer leidenschaftlichen Nacht verschlossen und mürrisch ansah. War es das, was ich wollte? Die sexuelle Erfahrung, angereichert durch romantische Illusionen, mit einem Mann, mit dem keine gemeinsame Zukunft vorstellbar und deshalb auch keine Bindung möglich war?
    Mir schoss die Hitze ins Gesicht.
    Charles kam mit zwei dicken Gläsern zurück. Ich tat so, als betrachte ich kurz den Roboter, zwinkerte, bis ich die Selbstbeherrschung zurückgewonnen hatte. »Stimmt was nicht?«, fragte Charles.
    Ich schüttelte den Kopf und lächelte bemüht. »Hier sieht’s nur so traurig aus.« Ich nahm eines der Gläser.
    Charles reckte den Hals zwischen seinen nervösen Schultern. Offensichtlich verunsicherte ich ihn noch mehr als er mich. Aber er hielt sich tapfer. Mit der Hokuspokus-Geste eines Zauberers drehte er den Zapfhahn auf, so dass ein dünner Strahl tiefroter Flüssigkeit in sein Glas schoss.
    »Es wäre nicht höflich, dir das erste Glas anzubieten«, sagte er und hob das Glas. »Schließlich hat meine Familie das hier verbockt.« Er schnupperte am Glas, schwenkte es, lächelte über das Getue und nahm einen kleinen Schluck. Gespannt beobachtete ich sein Gesicht und fragte mich, wie schlimm der Wein wohl schmecken mochte.
    Er schien echt überrascht.
    »Und?«, fragte ich.
    »Bringt einen nicht um«, antwortete er. »Ganz und gar nicht. Lässt sich durchaus trinken.«
    Er goss mir ein Glas ein. Der Wein schmeckte streng. Ich musste meinen Gaumen heftiger zügeln, als mir lieb war, um den Wein überhaupt herunterzubringen. Aber er hätte noch viel schlimmer ausfallen können.
    »Wir sind jung«, stellte Charles fest. »Wir werden es überleben. Sollen wir ein, zwei Liter abfüllen und zum Abendessen trinken?«
    »Kommt darauf an, was es zum Abendessen gibt«, sagte ich.
    »Das, was wir mitgebracht haben, und alles, was ich sonst noch aus den Notrationen organisieren kann.«
    »Vielleicht kann ich kochen«, bot ich an.
    »Das wäre prima.«
     
    Wir nahmen unser Abendbrot im Esszimmer des Stationschefs ein, saßen an einem alten Metalltisch auf Stühlen, die wohl niemand hatte mitnehmen wollen. Zehn Jahre alte Musik drang leise aus den Lautsprechern, schnelle Kinjee- Melodien im gehämmerten Rhythmus. Vielleicht hätte die Musik meine Eltern romantisch gestimmt, aber ich konnte damit nichts anfangen. Ich bevorzugte melodiöse Motive, die Droge der Trommelwirbel mochte ich nicht.
    Ich will nicht behaupten, dass der Wein mir meine Ängste nahm, aber wenigstens beruhigte er mich, und dafür war ich dankbar. Das Essen war erträglich – ein grauer, mindestens fünf Jahre (Marsjahre!) alter Teig, der sich glücklicherweise in etwas Essbares, wenn auch nichts Delikates, verwandeln ließ. Charles war so dankbar, dass es mir schon peinlich war. Ich musste mir auf die Zunge beißen, um die Bemerkung zu unterdrücken, dass ja der Teig die meiste Arbeit selbst geleistet hatte. Charles wollte nett sein und es mir angenehm

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