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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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ich nur wenig sagen musste und nichts anderes zu tun brauchte, als ihm zu folgen. Ständig gab er mit sanfter Stimme irgendwelche Bemerkungen zu Angelegenheiten des Mars von sich, die für mich meistens nicht neu waren. Seine Stimme klang beruhigend, selbst wenn er technische Einzelheiten erläuterte. Nach und nach achtete ich mehr auf seine Stimme als auf den Inhalt. Mir machte die sehr männliche Art Spaß, mit der er die Tatsachen zusammentrug und aneinander fügte, es war eine Architektur, die uns für den Augenblick vor dem Alleinsein miteinander schützte.
    Mindestens neunzig Prozent jeder Marssiedlung lagen unter der Oberfläche. Die Erfordernisse des Druckausgleichs und des Strahlenschutzes in dieser dünnen Atmosphäre bedingten diese Bauweise, die am wirtschaftlichsten war. In den ersten zehn Jahren hatte man versucht, Hochhäuser und mehrstöckige Aussichtstürme zu errichten, aber der Mars war mit kümmerlichen Mitteln besiedelt worden. Gegrabene oder von Wällen geschützte Konstruktionen waren viel billiger. Einrichtungen zum Wärmeaustausch, Sensoren, Aussichtsplattformen, Ein- und Ausgänge und ein paar niedrige Bauten durchstießen die Oberfläche, aber bis zum heutigen Tag waren wir im großen und ganzen Höhlenbewohner geblieben.
    Die Wasservorräte auf dem Mars waren inzwischen zur Hälfte mineralisiert, zur anderen Hälfte flüssig. Wasservorräte, die sich inzwischen verfestigt hatten, gab es in vielen Varianten. Manche waren auf Dauer vereist und hatten ein Gebiet mit Ketten von Eisbergen entstehen lassen. Einige Eiskuppeln hatten einen Durchmesser von zehn Kilometern, aber fast alle Erhebungen hatten längst das Wasserreservoir verloren, das sie hervorgebracht hatte. Entweder war das Wasser verdunstet und an den Polen kondensiert, oder es hatte sich über die Äonen im Weltraum verloren. In der dünnen Atmosphäre gab es fast keine Feuchtigkeit.
    Très Haut Médoc lag fünfhundert Meter oberhalb einer flüssigen Wasserader, wahrscheinlich war es dieselbe, die auch Durrey versorgte. Das Wasser sickerte durch den Kalkstein und sammelte sich in den tieferen Spalten und Höhlen, die sich bis zu zehn Kilometern unterhalb des Karstes erstreckten.
    Zunächst machten wir eine Stippvisite in der Pumpstation. Die Pumpe – ein massives Gebilde aus stahlblauen Zylindern und Kugeln, die wie zu einer abstrakten Skulptur zusammengeschweißt wirkten – war seit fünfzehn Marsjahren ständig in Betrieb. Sie zog ihren eigenen Treibstoff, Deuterium {5} aus dem Wasser, das sie aus dem Boden pumpte.
    »Wir haben sie vor etwa neunzehn Jahren – Erdjahren – ans Leitungsnetz von Durrey angeschlossen«, erklärte Charles und ging um die Pumpe herum. »Gleich, nachdem die Weinkellerei geschlossen und die Station automatisiert und geräumt wurde. Sie ist eine Einkommensquelle, die unseren Fehlschlag ausgleichen soll.« Unsere Schritte hallten dumpf auf dem gefrorenen Steinboden wider. In die Wand eingelassene Ventilatoren sorgten für einen leisen kühlen Luftstrom, der scharf moderig roch. »Nur deswegen existiert die Station noch. Durrey braucht und bezahlt sie, deshalb halten wir die Pumpe in Betrieb. Während ich hier bin, werde ich unseren Besuch dadurch rechtfertigen, dass ich einen Bericht schreibe …«
    »Und besorg ein paar Roboter als Ersatz«, schlug ich vor.
    »Vielleicht. Die Leute, die die Weinkellerei eingerichtet haben, waren von einer Familie aus Kalifornien … Oder waren’s Australier? Ich hab’s vergessen.«
    »Ein ziemlicher Unterschied«, warf ich ein.
    »Eigentlich nicht. Ich kenne inzwischen recht viele Australier und Kalifornier. Sie unterscheiden sich im Akzent, aber ansonsten sind sie sich ziemlich ähnlich. Meine Familie stammt übrigens aus Neuseeland. Woher kommt deine?«
    »Weiß ich nicht genau. Ein Teil aus Deutschland, der andere aus Indien, glaube ich.«
    »Deshalb ist deine Haut so schön«, sagte Charles.
    »Mir ist mein Erbe ziemlich egal.«
    Charles führte mich in die Kammern, in denen das Wasser gespeichert wurde. In den tiefen Kalksteinbecken, die zwei Kammern von je einem Hektar Fläche und zehn Metern Tiefe ausfüllten, sah der dunkle Wasserspiegel starr wie Glas aus. Irgendwo unterhalb unserer Füße war schwach das Klopfen der Pumpen zu hören, die das Wasser ins unterirdische Leitungsnetz von Durrey einspeisten. Ich atmete die kühle, feuchte Luft und berührte die klammen Kalksteinwände.
    »Der Stein hat Ähnlichkeit mit alten Knochen«, sagte Charles.
    »Stimmt.

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