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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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sagte ich.
    »Die ersten Muster eines ko-genotypischen Bauplans nach Foster«, dozierte Charles. »Das sind recht verbreitete Exemplare. Keine Artenbildung, alles nach einem einzigen genetischen Entwurf, der Hunderte von Ausprägungen hat. In Wirklichkeit ist es ein einziges Lebewesen. Manche Leute nehmen an, dass der Mars nie mehr als neun oder zehn gleichzeitig lebende Arten besessen hat. Eigentlich kann man sie ja gar nicht Arten nennen – ko-genotypische Stämme wäre passender. Kein Wunder, dass eine solche Biologie die Mutterkapseln hervorgebracht hat.«
    Er holte tief Luft und stand auf. »Ich werde jetzt eine ziemlich wichtige Entscheidung treffen. Ich traue dir.«
    Verwundert wandte ich den Blick vom Gläsernen Meer. »Was?«
    »Ich möchte dir gern was zeigen, falls du Interesse hast. Ist nur ein kurzer Spaziergang, nur zweihundert Meter. Aber anderthalb Milliarden Jahre weiter. Erdjahre. Ich zeige dir den Anfang und das Ende.«
    »Klingt geheimnisvoll«, sagte ich. »Hast du hier irgendwo eine Mutterkapsel versteckt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Die Stelle ist Geheimsache, wir genehmigen nur Wissenschaftlern den Zutritt. Vater hat mich mal mitgenommen. Ich musste ihm schwören, es nicht weiterzusagen.«
    »Dann sollten wir vielleicht darauf verzichten«, wandte ich ein. Ich wollte nicht, dass Charles mir zuliebe Familiengeheimnisse preisgab.
    »Ist schon in Ordnung«, beruhigte er mich. »Vater hätte nichts dagegen gehabt.«
    »Wieso gehabt?«
    »Er ist auf der Jefferson gestorben.«
    »Oh.« Das interplanetare Passagierschiff Jefferson hatte vor fünf Marsjahren einen Triebwerksausfall gehabt, als es vom Mond startete. Siebzig Menschen waren dabei ums Leben gekommen.
    Charles hatte im Namen seines verstorbenen Vaters eine Entscheidung getroffen. Ich konnte ihm jetzt nichts abschlagen. Also stand ich auf und griff nach meiner Werkzeugtasche.
    Der Canyon schlängelte sich fast hundert Meter nach Süden, ehe er nach Westen abbog. An der Biegung machten wir Rast. Charles fingerte beiläufig an einem Brocken harten Lehms herum. »Wir haben noch ungefähr eine Stunde. Fünfzehn Minuten brauchen wir dorthin, also können wir nur zehn Minuten oder so dableiben.«
    »Müsste doch reichen«, rutschte mir heraus, gleich darauf hätte ich mich am liebsten selbst in den Hintern getreten.
    »Ich könnte ein Jahr dort bleiben, und es würde mir immer noch nicht reichen«, entgegnete Charles.
    Wir kletterten eine sanfte Steigung hinauf, die vierzig oder fünfzig Meter betragen mochte, und standen plötzlich vor einer tiefen Spalte. Sie schnitt diagonal durch den Canyon, ihre Ränder hatte der Wind im Laufe der Zeit geglättet.
    »Der ganze Boden ist so zerbrechlich«, bemerkte Charles. »Erdbeben, Einschläge von Meteoriten … Hier hat es irgendeine Erschütterung gegeben, die einen Einbruch verursacht hat. Dieser Ort ist rund sechshundert Millionen Jahre alt.«
    »Ist schon toll.«
    Mit dem Handschuh deutete er auf einen schmalen Pfad, der von der nahen Wand der Felsspalte zum Grund des Canyon hinunterführte. »Der Weg ist sicher«, sagte er. »Du darfst nur nicht auf dem Schotter ausrutschen.«
    Ich zögerte. Der Felsensims war uneben und nicht breiter als fünfzig Zentimeter. Ich stellte mir vor, wie ich ausrutschte, hinschlug und mir dabei meinen Schutzanzug aufriss.
    Charles, der schon ein gutes Stück vorangegangen war, blickte über die Schulter zurück. »Komm schon«, forderte er mich auf. »Wenn du achtgibst, ist es nicht gefährlich.«
    »Ich bin kein Klettermaxe«, wandte ich ein. »Ich bin ein Karnickel, das weißt du doch.«
    »Es ist wirklich nicht schwer. Und es lohnt sich, glaub mir.«
    Bedächtig und angespannt setzte ich Fuß vor Fuß und murmelte dabei vor mich hin, allerdings so leise, dass Charles es über Funk nicht hören konnte. Wir stiegen in die Schlucht hinunter. Plötzlich konnte ich Charles nicht mehr sehen und auch nicht mehr über Funk hören. Wir hatten einander nicht mehr im Blickfeld, und wegen der Felsen kam er über Satellitenfunk nicht mehr zu mir durch. Mehrmals rief ich seinen Namen, presste mich an die Felswand und entwickelte mit jeder Sekunde mehr Wut und Panik.
    Ich blickte über die linke Schulter zurück, während ich nach rechts kroch. Plötzlich griff meine Hand ins Leere. Ich blieb mit leisem Fluchen stehen und versuchte, auf dem schmalen Sims mein Gleichgewicht zu halten, tastete nach einem Halt. Eine Hand packte mit festem Griff meinen Arm.
    Ich wandte mich um und

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