Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
ich Staub und Treibsand zur Seite. Was hier passierte, war mehr als ein Vertrauensbeweis. Charles hatte mir eine Vorzugsbehandlung zuteil werden lassen, wie sie nur wenige genossen. »Ich kann’s gar nicht fassen.«
    »Was?«, fragte Charles gespannt und selbstzufrieden.
    Ich zuckte die Achseln. Ich konnte es nicht in Worte kleiden.
    »Ich nehme an, dass wir irgendwann auch LitVid reinlassen, es vielleicht sogar Touristen zugänglich machen«, sagte er. »Mein Vater wollte den Ort einige Jahrzehnte der Familie vorbehalten. Aber ich glaube nicht, dass irgend jemand von meinen Tanten und Onkeln oder die Geschäftsführer der BG Klein sich darauf einlassen. Zwar haben sie all die Jahre diesen Ort unter Verschluss gehalten, – zu seinem Gedächtnis, nehme ich an –, aber inzwischen finden sie, dass es lange genug gedauert hat. Schließlich muss man ja auch den Vertrag berücksichtigen, der die Zugänglichkeit von Ressourcen regelt.«
    »Warum wollte er den Ort unter Verschluss halten?«
    »Er wollte den Kindern der BG Klein hier Anschauungsunterricht in Geschichte erteilen. Exklusiv. Ihnen eine Vorstellung von den riesigen Zeiträumen vermitteln.« Charles ging zu dem Sonnenfleck hinüber und stellte sich dort mit verschränkten Armen hin. Sein Schutzanzug und Helm hoben sich strahlend weiß und golden gegen den düsteren blaugrünen Schatten ab. Er sah wunderbar arrogant aus, auf du und du mit der Ewigkeit.
    Die Vorstellung von riesigen Zeiträumen, die Charles Vater den Kindern der BG Klein hatte vermitteln wollen, nahm jetzt auch mich gefangen. Es war wie ein alles erhellender, Funken schlagender Schock, anders als alles, das ich je erlebt hatte. Meine Augen gewöhnten sich an das Zwielicht. Zartes Netzwerk zierte die gläsernen Wände der verborgenen Höhle. Mir fiel das Landschaftspanorama an der Wand von Seans Krankenzimmer ein. Die natürlichen Kathedralen des Mars. Heute alle zerstört und eingeebnet – bis auf diese hier.
    Ich versuchte, mir die göttliche Stille eines Planeten vorzustellen, auf dem ein gigantisches, seifenblasenähnliches Gebilde wie dieses ungestört Hunderte von Jahrmillionen hatte überdauern können.
    »Hast du das schon mal jemandem gezeigt?«, fragte ich.
    »Nein.«
    »Ich bin also die Erste?«
    »Du bist die Erste.«
    »Warum?«
    »Weil ich dachte, es würde dir gefallen.«
    »Charles, ich hab nicht mal annähernd die Erfahrung oder … das Bewusstsein, das nötig wäre, um all dies richtig zu würdigen.«
    »Doch, ich glaube, du hast es.«
    »Es muss Hunderte anderer geben …«
    »Du wolltest meinen Mars sehen. Das wollte vor dir noch niemand.«
    Ich konnte nur den Kopf schütteln. Ich war nicht darauf vorbereitet, ein solches Geschenk zu erfassen, geschweige denn, es richtig zu würdigen. Aber Charles hatte es mir mit den allerbesten Absichten gemacht, und es hatte keinen Zweck, sich dagegen zu wehren. »Danke«, sagte ich. »Du überwältigst mich.«
    »Ich liebe dich«, sagte er und wandte den Kopf. Sein Gesicht lag im Schatten. Ich konnte nur seine strahlenden Augen sehen.
    »Du weißt gar nicht, was du da sagst«, antwortete ich kopfschüttelnd.
    »Schau mal her.« Charles hob die Arme, als sei er ein Priester in einer Kathedrale. Seine Stimme schwankte. »Ich folge meinen Instinkten. Uns bleibt nicht viel Zeit, wichtige Entscheidungen zu treffen. Wir sind wie Glühwürmchen, die kurz aufleuchten und dann erlöschen. Wenn ich sage, dass ich dich liebe, dann ist das mein voller Ernst.«
    »Du lässt mir keine Zeit, selbst eine Entscheidung zu treffen«, rief ich.
    Beide schwiegen wir einen Augenblick. »Du hast recht«, sagte Charles schließlich.
    Ich holte tief Luft, versuchte mich wieder in den Griff zu bekommen, verschränkte die Hände ineinander, damit sie nicht zitterten. »Charles, mit so was hab ich überhaupt nicht gerechnet. Du musst mir Luft zum Atmen lassen.«
    »Tut mir leid«, murmelte er so leise, dass ich ihn über Funk kaum verstehen konnte. »Wir sollten jetzt zurückgehen.«
    Ich wollte nicht zurückgehen. Mein ganzes Leben lang sollte ich mich an diesen romantischen Augenblick und diese Szene erinnern, von der ich heimlich geträumt hatte, obwohl das hier weit über alles hinausging, das ich mir hatte vorstellen können. Alles stimmte: die Kulisse, die überfallartige, leidenschaftliche Erklärung. Auf so etwas hatte ich gehofft, seit ich überhaupt romantische Vorstellungen entwickelt hatte. Trotzdem war ich hin- und hergerissen. Und das verblüffte mich

Weitere Kostenlose Bücher