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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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sah Charles direkt neben mir. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich hab vergessen, dass wir hier keine Funkverbindung haben. Du bist in Sicherheit. Mach einfach einen Schritt nach vorn …«
    Wir befanden uns am Eingang einer Höhle. Ich drückte Charles’ Arm fest an mich und sagte nichts, bis sich mein heftig klopfendes Herz wieder beruhigt hatte.
    Die Höhle reichte tief in die Felswand hinein und endete in schwärzester Finsternis. Ihre Decke befand sich fünf oder sechs Meter über unseren Köpfen. Die gegenüberliegende Felswand reflektierte soviel Sonnenlicht – es war immer noch später Nachmittag –, dass wir einander deutlich sehen konnten. Charles reichte mir die Taschenlampe. »Das ist der letzte Atemzug«, sagte er.
    »Was?«, fragte ich, immer noch benommen.
    »Wir sind von Alpha bis Omega gegangen.«
    Wegen seiner Geheimnistuerei zog ich einen Flunsch, aber er hatte gar keine Augen für mich.
    Nach und nach wurde mir klar, dass diese Höhle gar nicht aufgrund geologischer Veränderungen entstanden sein konnte. Die Wände waren so glatt wie Glas und reflektierten das indirekte Licht mit ölig-grünem Schimmer. Der ganze Innenraum war von einem feinen, spinnennetzartigen Gewebe durchzogen, das allerdings hart wie Stein war. Ich ließ den Kegel meiner Taschenlampe darüber gleiten. Keilförmige Bruchstücke dieses Netzes lagen zu Dutzenden auf dem Boden. Es sah so aus, als hätten Feen hier irgendwann ihre filigranen Messer vergessen. Ich stand schweigend da und nahm in dieser Stille das in mich auf, was offensichtlich war: Dieser Tunnel hatte früher einmal zu etwas Lebendigem gehört.
    »Es ist ein Aquädukt«, sagte Charles. »Omega und Mutter Ecos.«
    Es handelte sich gar nicht um eine Höhle, sondern um den Abschnitt einer riesigen Röhre – das fossile Relikt der größten und letzten Lebewesen des Mars. Ich hatte noch nie davon gehört, dass ein Aquädukt in unversehrtem Zustand bis heute erhalten war.
    »Dieser Abschnitt ist vor rund fünfhundert Millionen Jahren bis in den Felsspalt gewachsen. Löss und Treibsand sind hineingeraten, weil er in Gegenrichtung zu den vorherrschenden Winden verlief. Der Aquädukt lag darunter verborgen, konnte aber trotzdem Wasser in den Süden leiten. Als die Ecos ausstarb und kein Wasser mehr nachkam, starb dieser Abschnitt wie alle anderen Röhren ab, blieb aber unversehrt. Komm weiter!«
    Charles zog mich tiefer ins Innere. Wir gingen um die inneren Stützen des riesigen organischen Röhrensystems herum und unter ihnen durch. Das Wasser, das einst durch diesen Aquädukt geflossen war, hatte einige Milliarden Hektar grüner und purpurroter Bodenflächen gespeist. Es war ein natürliches Bewässerungssystem gewesen, größer als alles, was je von Menschenhand erbaut worden war.
    Das waren die echten Kanäle des Mars gewesen. Aber sie waren lange, ehe ein Schiaparelli oder Percival Lowell sie hätte sehen können, gestorben.
    Ich schluckte den Kloss in meiner Kehle hinunter. »Wunderschön«, sagte ich, während wir tiefer hineingingen. »Ist es hier sicher?«
    »Das hier hat fünfhundert Millionen Jahre überdauert«, erklärte Charles. »Die Wände bestehen aus fast reinem Quarzglas, die Schichten sind fünfzig Zentimeter dick. Ich glaube nicht, dass sie ausgerechnet jetzt zusammenbrechen werden.«
    Vor uns schimmerte ein gespenstisches Licht. Charles wartete, bis ich mir den Weg durch ein Geflecht dicker, grünlichschwarzer Fasern gebahnt hatte, dann streckte er den Arm aus und deutete an, ich solle vorangehen. In der Abschirmung meines Helmes klang mein Atmen schwer.
    »Da vorne wird’s leichter. Sandiger Boden, man kann gut drauf laufen.«
    Die Röhre mündete in eine düstere Kammer. Einen Augenblick lang konnte ich mir von ihrer Größe kein klares Bild machen. Aber durch ein Loch hoch oben konnte ich den schwarzen Himmel und Sterne sehen. Das merkwürdig diffuse Licht in dieser Kammer stammte von einem Fleck goldenen Sonnenlichts, der langsam und im Uhrzeigersinn über den geriffelten Sandboden wanderte.
    »Das ist ein Speicher. Und eine Pumpstation. So ähnlich wie Très Haut Médoc.«
    »Riesig«, sagte ich.
    »Ungefähr fünfzig Meter im Durchmesser. Fast eine Kugel. Das Loch ist vermutlich vor ein paar hundert Jahren durch Erosion entstanden.«
    »Erdenjahren?«
    »Genau«, sagte er und grinste.
    Ich schaute auf die konzentrischen Riffel im Sand und stellte mir vor, wie die Winde durch den Deckenspalt geweht und geblasen hatten. Mit meinem Stiefel schob

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