Heimat Mars: Roman (German Edition)
Überzeugungen in Frage.
»Wir können auch zu einem anderen Schauplatz überwechseln … uns über westliche Kanäle mit Budhara verbinden. Dann wird sie Nebenfigur.«
»Ich wäre gern mal ihr Papagei«, frotzelte ich.
»Außen vor«, sagte Orianna und meinte damit: Das liegt außerhalb der Möglichkeiten dieser Simulation.
»Dann möchte ich gern an die Oberfläche.« Ich wusste, es war nicht der korrekte Ausdruck, aber das Wort schien irgendwie zu passen.
»Oberfläche kommt sofort«, antwortete Orianna und führte mich aus dem grauen Raum hinaus. Wir machten die Augen auf und erblickten die Kabine. Dass wir uns zehn Millionen von Kilometern zwischen den Welten befanden, schien im Vergleich zu Budharas Leben langweilig.
Ich pfiff leise vor mich hin und rieb die Hände gegeneinander, um mich zu vergewissern, dass dieses die Wirklichkeit war. »Ich weiß nicht, ob ich das jemals wiederholen möchte«, sagte ich.
»Klar. Beim ersten Mal hebt man richtig ab, nicht? Man will unbedingt zurück. Die Wirklichkeit kommt einem künstlich vor. Später wird’s einfacher, wieder auf den Boden zu kommen, man blickt besser durch. Sonst wären solche Simulationen längst verboten. Ich mache keine Index-Sims.«
»Index-Sims?«
»Verbotene Sims. Illegale Simulationen.«
»Oh.« Ich konnte immer noch nicht klar denken. »Über die Erde hab ich nicht viel erfahren.«
»Die Sa’ud-Dynastie fällt ganz schön aus dem üblichen Rahmen, nicht? Vom Glück verlassene Fanatiker. Niemand braucht ihre letzten Tropfen Öl. Wirklich Spitze für fiktive Simulationen. Aber am liebsten ist mir Budhara. Ich hab schon zwei Dutzend Episoden mit ihr erlebt. Sie ist stark, aber sie weiß, wann und wie man nachgeben muss. Mir gefällt besonders der Teil, wo sie die Majlis bittet, ihr das Vermögen ihres Bruders zu überlassen …, nachdem die Brüder in Basra gestorben sind.«
»Ganz toll«, sagte ich.
»Du siehst nicht gerade glücklich aus.«
»Ich bin nur irgendwie benommen.«
»War’s die falsche Wahl?«
»Nein«, antwortete ich, obwohl es, vorsichtig ausgedrückt, eine recht einseitige Wahl gewesen war. Trotz ihrer Bildung war Orianna noch sehr jung, das musste ich mir ab und zu ins Gedächtnis rufen. »Aber ich hatte eigentlich gehofft, mehr über die Hauptströmungen auf der Erde zu erfahren. Hier ging’s um Randerscheinungen.«
»Vielleicht beim nächsten Mal«, antwortete Orianna. »Ich hab auch ein paar realistische Sims, sogar Reisetagebücher, aber die kannst du auch auf dem Mars bekommen …«
»Kann sein«, sagte ich. Aber ich hatte gar nicht die Absicht, eine weitere Simulation auszuprobieren.
Auf der Erde zogen sich Milliarden von Menschen täglich Sims rein. Und ich schaffte es noch nicht einmal, mit klarem Kopf aus einer Schnulze aufzutauchen.
Allen und ich standen in Bithras’ Kabine. »Mir ist das alles zuwider«, knurrte Bithras und musterte sein Spiegelbild. »In ein paar Tagen geht es nicht mehr um Übungen, sondern um den Ernstfall mit der verdammten Kugel, die einen ankettet. Und ich meine nicht nur die Schwere, obwohl die schon schlimm genug ist. Sie erwarten dermaßen viel von uns! Sie beobachten uns. Ich fürchte dauernd, dass sie eine neue Technik entwickelt haben, mit der sie meinen Kopf anzapfen können, während ich schlafe. Ich werde mich erst wieder wohl fühlen, wenn wir den Heimweg angetreten haben.«
»Du magst die Erde wohl nicht«, sagte Allen.
Bithras starrte ihn an. »Ich verabscheue sie. Die Erdenbürger sind ja ach so fröhlich und ach so höflich und ach so vollgestopft mit Technik. Technik fürs Herz, Technik für die Lungen, Nano für dies, Ersatzteile für das …«
»Klingt nicht viel anders als der Mars«, warf ich ein.
Bithras beachtete mich gar nicht. Seine grundsätzlich konservative Haltung brach durch, und er musste sich Luft machen. Besser so, als dass er mich wieder anmacht, dachte ich.
»In alles müssen sie sich einmischen. Ob’s um das Leben selbst geht oder um die Gesundheit oder um irgendeine Idee. Sie wägen alles ab, betrachten es aus diesem und jenem Blickwinkel … Ich schwöre euch, dass nicht einer der Menschen, mit denen wir reden werden, ein Individuum ist. Jeder gehört zur Masse, urteilt wie die Masse und wird von einem wohlmeinenden Diktator beherrscht, den man allgemein das ICH nennt. Obwohl niemand so recht weiß, ob das ICH bei all dieser Vorsicht, bei all dieser Glattheit überhaupt das Sagen hat.«
»Auf dem Mars gibt’s solche Leute doch
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