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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Wiesen mit dichtem Gras zu laufen, zwischen Eichen und Ahornbäumen hindurch. Alle Marsianer, die zum ersten Mal hier waren, atmeten gierig die frische Luft ein. Wir spazierten durch den Ingram Park, benannt nach dem ersten Menschen, der einen Fuß auf den Mars gesetzt hatte, Dorothy Ingram. Dorothy, ich weiß, was du empfunden hast. Ich schnupperte die vom jüngsten Schauer noch feuchte Luft und sah, wie von Süden her regenreiche Wolken herantrieben. Darüber war der Himmel so blau wie die Augen junger Kätzchen. Es gab keine Begrenzungen, keine Mauern, keine Kuppeln, kein Glas.
    Ich kenne dich. Mein Blut kennt dich.
    Auf dem Gras hopsten Allen und ich rund um Alices Wägelchen im Walzertakt. In Erinnerung an sein erstes Mal lächelte Bithras nachsichtig. Mit unseren Mätzchen erwiesen wir der Königin Erde, von der wir wie berauscht waren, unsere Reverenz. »Ist das alles nur ein Traum?«, fragte Allen. Und ich lachte, umarmte ihn und tanzte weiter.
    Die Bichemie half uns. Obwohl unser irdisches Gewicht das Zweieinhalbfache unseres Marsgewichtes betrug, standen wir aufrecht da, bewegten uns schnell auf Füßen, die sich weder verkrampften noch schmerzten (wenigstens vorläufig nicht) und behielten einen klaren Kopf.
    »Seht euch mal den Himmel an!«, jubelte ich.
    Bithras trat zwischen uns. »Die Augen der Erde«, bemerkte er, was uns ein wenig ernüchterte. Aber ich kümmerte mich gar nicht weiter um die LitVid-Kameras, die die ankommenden Passagiere in Bild und Ton festhielten. Die Erde durfte meine Freude ruhig hören.
    Mein Körper wusste, wo ich mich befand. Er war hier gewesen, längst ehe ich geboren war. Meine Gene hatten mich auf diesen Ort vorbereitet. Das Meer lag mir im Blut, der Sand der Erde in den Knochen. Meine Augen waren wie geschaffen für das helle, gelbliche Tageslicht und das himmlische Blau irdischer Tage und für die Nächte unter dem diffusen Licht des Mondes und der Sterne.
    Wir bahnten uns einen Weg durch die Versammlung von Reportern – teils Menschen, teils Robotern. Bithras antwortete diplomatisch und mit breitem Lächeln für uns alle. Ja, wir sind froh, wieder hier zu sein. Wir erwarten höchst fruchtbare Gespräche mit den Regierungen der Erde, die uns als Partner bei der Entwicklung des Hinterlandes unseres Sonnensystems helfen wollen. Er war gut, ich bewunderte ihn. Alles war vergeben und (fast) vergessen. Nachdem wir die Reporter hinter uns hatten, trafen wir in einem privaten Empfangsbereich mit unserer Führerin zusammen. Sie war eine schöne Frau mit kehliger Stimme und hieß Joanna Bancroft. Obwohl sie in jeder Hinsicht mein genaues Gegenteil war, mochte ich sie. Es schien mir damals ganz unmöglich, irgend jemanden, der in dieser gesegneten Welt lebte, nicht zu mögen.
    Vom Flughafen aus nahmen wir einen Wagen, den uns das Repräsentantenhaus geschickt hatte. Bancroft, die uns begleitete, fragte uns nach unseren Wünschen, fütterte unsere Koms mit den aktuellen Terminplänen und ermöglichte Alice den Zugriff auf die Kongressbibliothek, was ein besonderes Privileg darstellte. Der Wagen ordnete sich in eine automatische Kette ein, die Zehntausende weiterer Autos, Tausendfüßlerzüge und Transportlaster miteinander verband. Ich hörte zwar aufmerksam zu, aber sah gleichzeitig, wie der Regen auf die Scheiben tropfte und die Bäume unter dem düsteren Grau dunkelgrün glitzerten. Als das Gespräch für einen Augenblick stockte, fragte ich, ob wir die Fenster öffnen könnten.
    »Selbstverständlich«, antwortete Joanna und lächelte mit ihren hübschen roten Lippen und den festen runden Wangen.
    Automatisch glitt mein Fenster nach unten.
    Ich hielt den Kopf in den leichten Wind, bekam etliche Regentropfen auf Gesicht und Augen, streckte die Zunge heraus und kostete den Regen. Joanna lachte. »Marsianer sind wunderbar«, sagte sie. »Ihr lehrt uns, das zu schätzen, was wir, die wir hier leben, als selbstverständlich ansehen.«
    Wir, die wir hier leben …
    Die Worte ernüchterten mich. Ich warf Bithras einen Blick zu, er zog die Augenbrauen und einen Mundwinkel hoch. Ich verstand auch ohne Worte, was er damit sagen wollte.
    Uns gehörte die Erde nicht. Wir waren Gäste. Wir waren nur deswegen hier, weil uns die großen politischen Kräfte – die wahren Eigner und Geschäftsführer von Mutter Erde – aus irgendwelchen komplizierten Gründen hier haben wollten.
    Wir waren hier nicht zu Hause. Niemals würden wir zur Erde heimkehren – egal, wieviel uns die Reise kosten

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