Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
auch«, sagte Allen.
    »Aber mit denen muss ich nicht verhandeln«, stellte Bithras fest. »Habt ihr schon entschieden, welche Immunisierungen ihr wollt?«
    Allen zog eine Grimasse. Ich lachte.
    »Habt ihr etwa jegliche Immunisierung abgelehnt?«
    »Na ja«, sagte Allen. »Ich hab überlegt, ob ich nicht das für Rhetorik und Überzeugungskraft zuständige Virus reinlassen soll …«
    Bithras starrte uns entgeistert an. »Überzeugungskraft?«
    »Die Gabe der Zungenfertigkeit«, spezifizierte Allen.
    »Du willst mich wohl verarschen«, sagte Bithras und rückte den Spiegel nach hinten. »Ich werde furchtbar aussehen. Aber das ist eigentlich auch egal, wenn man bedenkt, wie toll sie aussehen werden! Selbst in bester Verfassung würde ich daneben ganz grässlich wirken. Von Marsianern erwarten sie ja auch gar nichts anderes. Wisst Ihr eigentlich, wie sie uns nennen, wenn sie mal nicht ganz so höflich sind?«
    »Wie?«, fragte ich. Von Orianna hatte ich schon einige Schimpfnamen gehört: Dreckwühler, Tunnelratten, Erdkröten.
    »Kolonisten«, sagte Bithras, wobei er das erste ›o‹ fast verschluckte.
    Allen lächelte nicht. ›Kolonisten‹ war ein Wort, das man auf dem Mars selbst korrekt ausgesprochen nie hörte. Siedler und Siedlungen, ja, aber nie Kolonie oder Kolonisten.
    » Kolo nisten«, fuhr Bithras fort, »sind nach ihrer Definition Leute, die sich am liebsten im eigenen Kot suhlen, beziehungsweise in den Dreck graben, wie wir auf dem Mars.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ihr könnt es mir ruhig glauben«, sagte Bithras. »Ihr habt Alice gehört, ihr habt die Leute hier an Bord gehört, jetzt könnt ihr auch mal auf eine Stimme hören, die aus eigener bitterer Erfahrung spricht. Die Erde weiß sehr genau, was sie tut, die Erde ist bei klarem Verstand. Aber das heißt noch lange nicht, dass die Erde nett ist oder uns mag oder uns auch nur respektiert.«
    Meiner Meinung nach war es gut möglich, dass er übertrieb. So viel Idealismus und Naivität besaß ich damals noch. Schließlich war ich mit Orianna befreundet. Und sie war ganz anders als ihre Eltern.
    Sie gab mir ein wenig Hoffnung.
    Die Zylinder wurden eingezogen und längs des Rumpfes verstaut. Das rotierende Universum kam zum Stillstand. Als wir uns in einem Abstand von zwei Millionen Kilometern zur Erde befanden, verloren wir viel von der bisher erreichten Geschwindigkeit. Diese Zeit verbrachten wir im Bett. Ein permanenter Bremsdruck von zwei Ge wirkte auf uns ein.
    In diesem Abstand zur Erde konnte man unseren Heimatplaneten und den Mond mit einem Blick umfassen. In der Routine der Tage wurde das Bild zu einem wirklich reizvollen Anblick.
    Neben dem Lapislazuli und Quarz der Erde wirkte der Mond wie reines Silber. Im Sonnensystem gibt es keine schönere Welt als die Erde. Ich hätte auch vor Milliarden von Jahren auf diesen Planeten hinunterblicken können. Selbst die schwachen Funken, die von den rund um den Äquator aufgebauten Plattformen stammten – sie zogen elektrische Energie aus den Magnetfeldern der Mutter Erde – konnten meine Ehrfurcht nicht beeinträchtigen. Dies war der Ort, an dem alles begonnen hatte.
    Einen Augenblick lang – er dauerte nicht besonders lange, aber lange genug – teilte ich die erdzentrierte Sichtweise. Der Mars war winzig und unbedeutend, was seine Geschichte betraf. Wir verschifften nur wenig zur Erde, trugen nur wenig zum Handel bei, kauften nur wenig. Wir waren ein eher politischer als geographischer Faktor, und auch in dieser Hinsicht verdammt schwach: ein hartnäckiger Stachel im Fleische der mächtigen Mutter, die schon vor langer Zeit eine der verlorenen Töchter, den Mond, wieder an die Brust gedrückt hatte.
    Orianna und ich verbrachten die ganze Zeit, die uns nach Erledigung der Zollerklärungen noch blieb, damit, die Erde und den Mond anzuschauen. Schließlich füllte ich noch die Anträge auf Immunisierung aus, um Vorsorge gegen die Einwirkungen zutraulicher Designer-Mikroben zu treffen, die in der Luft der Erde umherschwirrten.
    Ich war aufgeregt. Allen war aufgeregt. Bithras war mürrisch und sprach wenig.
    Fünf Tage später passierten wir Peace III, die wichtigste Weltraumstation in der niedrigen Erdumlaufbahn, und flogen von dort aus mit einem Shuttle durch dicke Luft und einen wunderschönen Sonnenuntergang auf die Erde zu.
    Selbst jetzt, mit einem Abstand von sechzig Lebensjahren und zehntausend Lichtjahren von der Erde, schlägt mein Herz bei der Erinnerung an meinen ersten Tag auf der Erde

Weitere Kostenlose Bücher