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Heimkehr

Heimkehr

Titel: Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Tremartin diese Worte bereits zwei m al zuvor zu m ir gesagt hatte. Stumm trat ich vor und hielt ihm unsere Behelfsfackeln hin. Die beiden ersten, die er auswählte, besta n den aus Schals, die wir um Tischbeine geschlungen ha t ten. Sie entzündeten sich überhaupt n i cht. Aus welchem Material diese Schals auch gewoben s e in mochten, sie b r annten nicht. Die dritte Fackel war ein Kissen, das wir kurzerhand an ein Stuhlbein gebunden hatt e n. Es entwickelte einen stechenden Qua l m, als es sich endlich entzündete, und stank für c hterlich. Aber wir konnten schlecht wählerisch sein und gingen langsam weiter, während wir das brennende Kissen und die all m ählich erlöschende Fackel hochhielten. Als sie so weit h e runtergebrannt war, dass sie Tremartins Finger zu versengen drohte, musste er sie fallen lassen. Jetzt beleuchtete nur noch der Schein des qual me nden Kissens unseren Weg. Die Dunkelheit bedrängte uns stärker denn je, und der eke l hafte Gestank des Kissens bereitete m ir Kopfs c h m erzen. Ich tro t tete weiter und dachte daran, wie das lange, grobe Haar an der rauen Haut meiner knochigen Finger hängen geblieben war, als ich die Füllung i n das K i ssen ges t opft hatte, da m it es besser federte und länger hielt.
    Retyo schüttelte m i ch grob. Dann lag Carl m in in meinen Ar m en. Er weinte leise. »Vi e lleicht solltest du deinen Sohn eine Weile tragen«, sagte d e r Seemann ohne jeden Vorwurf in der St i mme und bückte sich, um die Fackeln aufzusammeln, die ich fallen gelassen hatte. Die anderen unserer Gruppe waren Schatten in d e r Dunkelheit und die Fackel kaum mehr als ein rot glühender Klecks. Ich war einfach stehen geblieben. Was wäre wohl aus m i r geworden, hätte Retyo mein Fehlen nicht be m e r k t? Selbst als wir sprachen, kam es m i r vor, als wäre ich zwei Personen.
    »Danke«, sagte ich verlegen.
    »Ist schon gut«, er w iderte er. »Bleib einfach dicht bei uns.«
    Wir ging e n weiter. Das Gew i cht von Carl m in in meinen A r me n z w a ng m i c h z u m A uf p assen. Nach einer Weile setzte ich ihn ab und ließ ihn neben m ir gehen. Ich g l aube, das war besser für ihn. Nachdem ich einmal von den Geistern überwältigt worden war, beschloss ich jetzt, wachsamer zu sein. Trotzdem glitten m e rkwürdige Fetzen von Träumen, Vorstellungen und ferne Stimmen durch meinen Kopf, während ich mit offenen Augen durch die Dunkelheit ging. Der Weg sch i en kein Ende zu neh m en, und Hunger und Durst setzten uns heftig zu. Das sickernde Wasser schmeckte zwar bitter, aber wir tranken trotzdem in kleinen Schlucken davon.
    »Ich hasse diese Stadt«, s a gte ich zu Car l m in. Seine kleine Hand i n me iner wurde zunehmend kälter, da die versunkene Stadt uns unsere Körperwärme raubte. »Sie ist voller Fallen und Tücken. In den Räumen wartet der Schlamm darauf, sich über uns zu ergießen, und Geister versuchen, uns den Verstand zu rauben.«
     Ich hatte ebenso zu mir w i e zu ihm g e sprochen und keine Antwort erwartet. Plötzlich erwiderte er gedehnt:
    »Sie ist n i cht erbaut worden, um dunkel und leer zu sein.«
    »Vielleic h t nicht, aber gen a u das ist sie jetzt. U n d die Geister d erjenigen, die sie erbaut haben, versuchen, unseren Verstand zu stehlen.«
    Ich spür t e sein Stirnrunzeln me hr als ich es sah.
    »Geister? Es sind keine Geiste r . Und kei n e D i ebe.«
    »Was sind sie denn?« Ich stellte diese Frage hauptsächlich, d a m it er weitersprach.
    Car l m in s c hwieg e i ne Wei l e. Ich lauschte auf unsere Schritte und unser At m en. »Es sind nicht die Personen«, antwortete er dann. » Es ist ihre Kunst.«
    In diesem Mo m ent kam mir so etwas wie Kunst abweg i g und sinn l o s vor. Früher einmal hatte ich m it ihr m eine Existenz gerechtfert i gt. Jetzt schien sie mir m üßig und eine bloße Täuschung, m it der i c h die Bedeutungs l o sigkeit meines Alltags hatte versc h leiern wollen. Das Wort beschä m t e m ich beinahe.
    »Kunst«, wiederholte er. Er klang ganz und gar nicht wie ein kleiner Junge, als er weitersprach. »Kunst ist etwas, w o mit wir uns selbst erklären. In dieser Stadt haben wir entschieden, dass der Alltag d e s Lebens der Mensc h en hier die Kunst der Stadt sein sollte. Von Jahr zu Jahr s i nd die Beben stärker geworden und die Stürme aus Staub und Asche n ahmen an Intensität zu. Wir haben uns vor ihnen versteckt, unsere Städte eing e schlossen und unter der Erde Zuflucht gesucht. Dennoch wussten wir, dass die Zeit kommen würde, in

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