Heimkehr
Kreuzung vorüberkamen, hörten wir einen entfernten K n all, wie ein Blitzschlag, und dann Entsetzensschreie aus menschlichen Kehlen. Die unnatür l ichen Lichtadern in den Wänden flackerten und erloschen. Einen Moment spä t er hasteten Männer an uns vorbei und flohen in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Ein Schwall von Wasser folgte i hnen. Es u m spülte unsere Füße und sein Druck wurde schwächer, als es sich ausbreitete. Un m ittelbar d a nach ertönte ein dunkles, unhei l vol le s Ru m p eln. »Kom m t!«, befahl uns Tremartin. Wir folgten ih m , obwohl uns klar war, dass wir uns der Gefahr näherten anstatt uns von ihr zu entfernen.
Wir bogen um zwei weitere Ecken. Die Steinwände bestanden jetzt nicht mehr aus grauen Quadern, sondern aus glatten, schwarzen Steinen, die von silbernen Adern durchzogen waren. Wir gingen eine lange Treppe m it flachen Stufen hinunter. Plötzlich verbreiterte sich der Korridor, und die Decke wur d e höher. Als hätten wir den Bere i ch der Dienstboten hin t er uns gelass e n und wären jetzt in die Gefilde der Privilegierten gelangt. Man hatte sogar die Statuen aus den Nischen in den Wänden geraubt.
Ich rutsch t e auf dem feuchten Boden aus. Als ich m i ch m it der Hand an der schwarz e n Wand abstützte, sah ich plötzlich überall Menschen um uns heru m . Ihre Kleidung und i h r Verhalten waren höc h st sel t sa m . Offenbar war Markttag. Überall brann t en Lichter und brandeten Gespräche auf, und es duftete nach frisch Gebackene m . Das Leben der Stadt u m hüllte m i ch. Im nächsten M o me nt packte Tremartin meinen Arm und r i ss m ich von der Wand weg. »Berührt diesen schwarz e n Stein nicht!«, warnte er uns. »Er zieht euch in die Welt der Geister. K o mmt, folgt m ir.« Weiter entfernt sahen wir das helle Licht eines Feuers, das me rkwürdig ver t raut im Vergleich zu dem unbehagl ic h flackernden küns t lichen Licht wirkte.
Es war Retyos Fackel. Der Seemann war von Kopf b i s Fuß m it Schlamm bedeckt. Er sah uns zwar, hörte jedoch nicht da m it auf, m it einem groben hölzernen Paddel Schlamm von einer Tür wegzuschaufeln. Das Wasser floss in einem stetigen Strom d e n Korridor herunter. Nicht ei n m al ein Dutzend Männer h ä tten hoffen dürf e n, dagegen anzukommen. Wenn Olpey die Tür nicht bald öffnete, würde er in der Kammer g e fangen sein, sobald der Schlamm den ganzen Korridor füllte.
Ich trat in die flache Grube, die Retyo frei hielt. Ungeachtet des Schlam m s, der ihn bedeckte, und ohne Rücksicht darauf, dass me in Sohn und me ine Freundin m i ch beobachte t e n, uma r m t e i c h ihn i nn i g. Hätten wir Zeit gehabt, wäre ich bereitwillig zu dem gew o rden, das zu sein mein Ehemann m i ch beschu l d i gt hatte. In Gedanken war ich vermutlich längst eine untreue Ehefrau. Doch das kümmerte m i ch wenig. Ich bin me inen Freunden treu geblieben.
Unsere Umar m ung war nur kurz, denn wir durft e n nicht zögern. Wir riefen O lpey durch die Tür, aber er antworte t e nicht, bis er seine kleine Schwester weinen hörte. Da forderte er uns ärgerlich auf wegzugehen. Seine Mutter bat ihn i n ständig herauszukommen. Sie erklärte, dass die Stadt all m ählich zusammenbrach und der herankr i echende Schlamm ihn bald einschließen würde. Er gehöre hierher, schrie er, habe schon immer h i er gelebt und wo l le auch hier sterben. Während wir dastanden und bettelten, arbeitete Retyo verbissen w e iter und kratzte den heransickernden Schlamm von der S c hwelle. Als unser Flehen nicht half, warfen sich Retyo und Tre m artin gegen die Tür, aber das solide Holz wider s tand Stiefeln und Fäus te n, und wir verfügten über keine Wer k zeuge. Resigniert f l üsterte Tremartin, dass wir Olpey aufgeben müssten. Dabei liefen ihm die Tränen ü b er die Wangen. Der Schlamm floss m ittlerweile zu schnell, als dass die b e iden Männer ihn noch hätten zurückhalten könne n , und wir m u ssten auch an die drei anderen Kinder denken.
Chellia protestierte lautstark, aber ihr schriller Schrei ging in e i nem hallenden Rumpeln hinter uns unter. Etwas Großes hatte nachgegeben. Die Stärke des Schlam m stro m s verdoppel t e sich nahezu, und jetzt kam er aus beiden Richtungen. Tremartin hob se i ne Fackel. An beiden Enden des Korr i dors herrschte gähnende Schwärze. »Öffne die Tür, Olpey!«, flehte ich ihn an. »Sonst ertrinken wir hier draußen alle im Schlam m ! Lass uns hinein, um Sas Willen!«
Aber ich glaube nicht, dass er auf meine
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