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Heimkehr

Heimkehr

Titel: Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Bach
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sinnlich, intelligent, kreativ, ruhig, vielseitig, frei, offen, kontaktfreudig, verantwortungsbewußt, faszinierend, praktisch, bezaubernd, schön, positiv, talentiert, sprachbegabt, ordentlich, einsichtig, geheimnisvoll, wandlungsfähig, neugierig, fröhlich, unberechenbar, machtvoll, entschlossen, abenteuerlustig, ernsthaft, aufrichtig, furchtlos und weise.«
    »Mein Gott«, erwiderte sie. »Das kann ich aber nicht alles gleichzeitig sein.«

20
     
    Als wir eintraten, fühlte ich mich wie der verkleidete Robin Hood, und der Ballsaal ähnelte aufs Haar dem in Nottingham. Menschen nickten uns zu, lachten und strahlten und tranken Sekt aus langstieligen Kristallgläsern. Gefangen, dachte ich. Ausgerechnet ich, ein Gegner jeglicher Arzneimittel, inmitten von Ärzten aller Fachrichtungen. Ich bin verloren, sobald sie anfangen, auf das segensreiche Aspirin anzustoßen; sie werden mich dabei ertappen, daß ich meine Tablette in den Palmenkübel fallen lasse, es wird ein lautes Geschrei geben, man wird mit den Fingern auf mich zeigen.
    Das Treppenhaus, dachte ich, wird meine Rettung sein. Ich werde die Stufen hinaufstürzen, mich an die Vorhänge klammern und mich durch die großen Glastüren schwingen, bis die Splitter nur so durch die Gegend fliegen, dann über die Balkonbrüstung auf den Sims springen, an den Wasserspeiern bis zum Dachfirst hinaufklettern und in der dunklen Nacht verschwinden.
    Ich bin ein selbsternannter Aussteiger, ein Flieger, der davon gelebt hat, daß er auf den Weiden des Mittleren Westens Flüge mit einem Doppeldecker organisierte, ein Bankrotteur, der sich von der untersten sozialen Schicht mühsam wieder hochgearbeitet hat… Was hatte ich mit all diesen Klugscheißern hier gemein? Das Leben hat mich gelehrt, daß alle Arzneimittel des Teufels sind, und jetzt befinde ich mich auf einem Medizinerball. Wahrscheinlich, um auf meine Frau aufzupassen, dachte ich.
    Leslies Augen funkelten vor Freude, als ich ihr die Seidenstola abnahm.
    Ich ergriff ihre Hand, wartete einen Augenblick am Rande der Tanzfläche, und dann schwebten wir nach den mitreißenden Walzerklängen von Johann Strauß graziös übers Parkett. Ich kann nicht sagen, welchen Eindruck wir hinterließen, aber mir war es, als ob wir im Einklang mit der Musik über endlose Weizenfelder flögen.
    »Man sollte meinen, die Ärzte müßten mittlerweile von der Anatomie des menschlichen Körpers genug haben«, sagte ich mitten in einer eleganten Drehung.
    »Ja, und?« fragte sie herablassend. Ihr Haar bewegte sich im Wirbel des Tanzes.
    »Seitdem du den Saal betreten hast, starren dich alle Männer an.«
    »Dummkopf«, erwiderte sie, obwohl ich doch recht hatte.
    Wie einfach war doch das Leben gewesen, bevor ich tanzen gelernt hatte! Rein theoretisch kann natürlich jeder tanzen, und dieses theoretische Können hätte mir auch vollauf genügt!
    Aber wer nicht richtig tanzen kann, spürt auch nicht die Heiterkeit der Musik, die den Körper beim Tanzen erfüllt. Um diese Fähigkeit zu erlangen, hätte ich mich dazu aufraffen müssen, eine Tanzschule zu besuchen. In irgendeinem mit Spiegeln ausstaffierten Übungssaal wäre ich wie ein Narr herumgestolpert und hätte im Laufe der Tortur tanzen gelernt. Ein unerträglicher Gedanke. Ich eröffnete meiner Frau, daß ich in meinem Alter keinerlei Lust verspürte, noch einmal den ungeschickten Anfänger zu mimen.
    Leslie wollte das nicht einsehen und nahm ohne mich Tanzstunden. Wenn sie dann spät nach Hause kam, hatte sie derart gute Laune, daß ich mich fragte, was denn am Tanzen so amüsant sein konnte.
    Sie zeigte mir ein oder zwei Schritte, und nach kurzer Zeit lag mir weniger an würdevoller Sicherheit als daran, mit ihr tanzen zu lernen.
    Meine Befürchtungen bewahrheiteten sich natürlich. Wochenlang kam ich mir vor wie die Kreatur aus Frankensteins Kellergewölbe. Elektroden im Gehirn wären weniger aufgefallen als meine gräßlichen Schuhe, denen meine behende Tanzlehrerin ständig ausweichen mußte. Ich warf aber die Flinte nicht ins Korn, und über kurz oder lang…
    Nun gab ich mich unbeschwert der Musik hin und sah im ganzen Saal niemanden außer Leslie. Ich danke dir, tapferer Richard, dafür, daß du dich überwunden und nicht länger großmütig auf das Tanzen verzichtet hast. Ich fühlte mich wie im siebten Himmel, und meine Frau empfand wohl das gleiche.
    »Als du ein kleiner Junge warst, Richie, hast du da nicht manchmal gedacht, du seist von weither von den Sternen auf die Erde

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