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Heimkehr

Heimkehr

Titel: Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Bach
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dir…«
    Er hielt mitten im Satz inne. Seine Füße auf die Lenkstange gestellt, rollte er im Leerlauf die leicht abschüssige Blackthorne Street hinunter, wobei unsere Geschwindigkeit noch zunahm.
    »Was, im Gegensatz zu mir?«
    »… bin ich geduldig!« sagte er, den Wind übertönend. »Es macht mir nichts aus, daß nicht ich das Geld verdienen muß, sondern mein Dad. Es gibt eine Menge zu lernen. Einfach die praktischen Dinge fürs Leben!«
    »Mir macht es etwas aus. Ich möchte auf eigenen Füßen stehen. Wenn ich innerlich erwachsen bin… sollten sie es so einrichten, daß man eine Prüfung ablegen könnte und dann ein offiziell bestätigter Erwachsener wäre, egal, wie alt man ist.«
    »Alles zur rechten Zeit«, bemerkte er.
    Mein Freund stellte die Füße wieder auf die Pedale, ergriff die Lenkstange und bremste scharf in der Kurve. Millimeter vor der Bordsteinkante riß er das Vorderrad hoch und hüpfte elegant auf den Bürgersteig. Vergessen waren die Tage, als mir Fahrräder Angst eingejagt hatten und ich schutzsuchend zu meiner Mutter gerannt war, nachdem mich Roy auf den hohen Sattel gesetzt, auf dem Rad geschoben und mir gedroht hatte, er würde mich alleine weiterfahren lassen.
    Ich hüpfte Zerbe hinterher, noch ganz im Banne unserer Diskussion.
    »Hältst du dich denn für etwas Besonderes?«
    »Aha!«, sagte er, indem er seine Geschwindigkeit drosselte, um für kurze Zeit neben mir zu fahren. Dann stoppte er auf dem Rasen vor dem Haus, in dem er wohnte.
    Ich stoppte ebenfalls und blieb auf den Pedalen stehen, bis mein Fahrrad umzukippen drohte. Dann sprang ich ab und legte es ins Gras.
    »Natürlich bin ich etwas Besonderes«, sagte ich. »Jeder ist etwas Besonderes! Nenne mir irgendwen in unserer Klasse, irgendwen an der Mark-Twain-Grundschule, der vorhat, ein Versager zu werden, wenn er groß ist!«
    Zerbe saß, gegen den Sattel seines Fahrrades gelehnt, mit gekreuzten Beinen auf der Rasenfläche. »Aber es kommt vor, nicht wahr? Irgendwas geschieht zwischen dem jetzigen Moment, wo wir wissen, daß wir etwas Besonderes sind, und dem Augenblick, wo diese Meinung umkippt und wir zu Versagern werden.«
    »Das wird mir nicht passieren«, erwiderte ich.
    Er lachte. »Woher weißt du das? Was macht dich so sicher? Vielleicht sind wir gar nicht richtig erwachsen. Vielleicht sind wir erst erwachsen, wenn wir wissen, daß wir nichts Besonderes sind. Vielleicht ist Mißerfolg etwas, womit nur richtige Erwachsene fertig werden können.«
    »Das glaube ich nicht!« sagte ich. »Wir mögen Kinder sein, aber innerlich sind wir schon voll entwickelt, und wir sind nicht einfach… nichts!«
    »Red weiter«, ermunterte er mich. »Ich widerspreche nicht. Sag mir, wieso du weißt, daß du etwas Besonderes bist.«
    »Morgens«, erwiderte ich, »morgens wache ich manchmal auf und gehe ins Freie, und die Luft ist so… grün. Verstehst du mich? Die Luft sagt: Etwas wird heute geschehen! Etwas Starkes wird geschehen! Und es geschieht eigentlich nie etwas, soweit ich das beurteilen kann, aber dieses Gefühl liegt in der Luft. Es geschieht nichts und irgendwie doch. Verstehst du, was ich sagen will?«
    »Vielleicht wünschst du einfach, daß etwas geschehen soll.«
    »Ich denke mir das nicht aus, Budge! Ich schwöre dir, ich denke es mir nicht aus. Es existiert etwas da draußen, und es ist…. als ob es mich ruft. Hörst du es nicht auch? Ich meine nicht, daß du es hörst, aber fühlst du es nicht manchmal?«
    Er sah mir fest in die Augen. »Es ist ein Licht in mir«, sagte er, »als ob ich einen Stern verschluckt hätte.«
    »JA! Und wenn du jemand aufschneidest, wirst du diesen Stern niemals finden, und du findest ihn auch nicht, wenn du ein Mikroskop so groß wie ein Haus hast!«
    Mein Freund lag gegen sein Rad gelehnt da und beobachtete das Halbdunkel zwischen den Bäumen. »Du kannst tagsüber die Sterne nicht sehen. Du mußt die Augen schließen, und sobald du dich an das Dunkel gewöhnt hast, erblickst du dieses schwache Licht in weiter Ferne. Ist es das, was du siehst, Dick?«
    Nur Freunde wagen es, sich so zu unterhalten, dachte ich. »Das Licht ist eine silberne Kette, wie eine Ankerkette in meinem Geist, die vor meinen Augen im tiefen Wasser entschwindet.«
    »Im tiefen Wasser!« sagte er. »Richtig! Und wir sind Taucher, gleiten hinab, und tief unten führt uns die Kette zu diesem versunkenen Stern. Das ist unser Anker…«
    Ich war ein Delphin, der aus einem Wasserbecken hoch in die Luft gesprungen war und

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