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Heimkehr

Heimkehr

Titel: Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Bach
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nicht seltsam? Was ich erblickte, war dieser leuchtende Schleier, der gerade beiseite gezogen war, und dahinter war nichts zu sehen, nur ein Gefühl ungeheurer Freude war da: Alles ist in Ordnung. Danach bewegte sich der Schleier wieder zurück, die Sterne waren so wie immer, und ich stand im Dunkeln da.« Ich schaute Leslie an und erinnerte mich. »Dieses Gefühl hat mich niemals verlassen, Wookie. Bis zu diesem Augenblick ist es nie ganz verschwunden.«
    »Ich weiß, daß du auch furchtbar wütend werden kannst, Liebling«, sagte sie. »Ich habe dich in Situationen erlebt, wo du wohl überhaupt nicht mehr glaubtest, daß alles in Ordnung wäre.«
    »Sicherlich. Aber ist es für dich nicht das gleiche? Es ist, als ob du Völkerball spielst; du wirst vom Spiel so mitgerissen, daß du es ganz vergißt: Es ist ein Spiel.«
    »Ich vergesse oft, daß es ein Spiel ist«, antwortete sie. »Ich denke, das wirkliche Leben ist anders, und ich glaube, auch du weißt das.«
    »Ich gebe zu, manchmal ist es so. Ich werde mutlos, etwas steht mir im Wege. Oder ich werde wütend, das heißt, ich bekomme Angst, weil das, was ich vorhabe oder was ich sein möchte, in Frage gestellt wird. Aber das ist eine Stimmung, die vom Spiel abhängt. Nimm mich aus dem Spiel heraus, sag mir, wenn ich am wütendsten bin, dein Leben in dieser Dimension, Richard, ist zu Ende, und meine Wut ist verpufft; was auch immer gewesen sein mag, spielt keine Rolle mehr, ich bin wieder ich.«
    »Diesen Satz werde ich mir merken«, sagte sie. »Dein Leben ist zu Ende…«
    Ich lachte und wußte, diese Worte würde ich beim nächsten Mal zu hören bekommen, wenn ich wieder in Wut geriet. »Sofortige Klarheit, das ist die Hauptsache. Findest du nicht auch?«
    Sie fuhr um die Ecke und die Auffahrt zu unserem Haus hinauf. Die Liebe in einer Ehe hält so lange an, dachte ich, wie Mann und Frau sich dafür interessieren, was der andere denkt.
    Sie hielt an und stellte den Motor ab. »Das ist es, was er sich wünscht, nicht wahr?« sagte sie.
    »Wer?«
    »Dickie. Er möchte sofort Klarheit haben. Was auch immer geschieht, er möchte wissen, daß alles in Ordnung ist.«

22
     
    In seiner Wüste mußte es geregnet haben, denn der ausgetrocknete Boden des Sees war nun mit Gras bewachsen, die alten Spuren waren verwischt.
    Da stand ein Baum am nahen Horizont. Wie konnte sich seine Gedankenwelt bloß so rasch verändern?
    Er stand eindeutig jenseits des Sees, am Fuße eines sanft ansteigenden Berges, und ich joggte hin, um ihn zu treffen. »Warst du dort, Kapitän?«, fragte ich.
    »Auf dem Ball?« fragte er zurück. »Als du Angst hattest? Bestimmt hattest du welche.«
    »Ich hatte keine Angst.«
    »Du hast doch nichts dagegen, daß ich mir vorstelle, wie du die Flucht ergriffen hättest, wenn sie auf das Aspirin angestoßen hätten…«
    »Das wäre doch ein guter Aufhänger gewesen, Dickie. Ich habe mir diesen Toast fast herbeigewünscht.«
    »Danke«, sagte er. »Es hätte geklappt.«
    »Ja. Es hätte Konsequenzen gehabt.«
    »Meine Aufgabe ist es, dir zu helfen, dort rauszukommen. Konsequenzen sind etwas für Erwachsene.«
    »Es wären keine Konsequenzen zu befürchten gewesen«, erwiderte ich. »Ich hätte auf die gleiche Weise gehen können wie ich gekommen war. Keine Erklärungen, ich wäre einfach gegangen. Keine Hetzjagd, kein Tumult, keine beschädigten Vorhänge, kein zersplittertes Glas; ich wäre nicht in Straßenschuhen an den Wasserspeiern sechs Stockwerke hinaufgeklettert, ich hätte nicht
    zu überlegen brauchen, wie ich vom Dach wieder herunterkomme, um zu Leslie zurückzukehren. Keine Konsequenzen.«
    Er zuckte mit den Achseln. »Du bist also doch ein Erwachsener.«
    »Du hast recht«, erwiderte ich. »Es hätte geklappt, es hätte eine große Szene gegeben.«
    Er begann den Berg hinaufzusteigen, als ob dort oben etwas wäre, was er mir zeigen wollte.
    » Glaubst du wirklich nicht an die Medizin?« fragte er.
    »Nein, wirklich nicht.«
    »Nicht einmal an das Aspirin?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Was ist, wenn du krank wirst?«
    »Ich werde nicht krank«, erwiderte ich.
    »Nie?«
    »Fast nie.«
    »Was machst du, wenn du doch krank wirst?« fragte er.
    »Ich hole mir haufenweise Tabletten aus der Apotheke. Ich beginne mit Acetaminophen und schlucke sie so lange, bis das Übel verschwunden ist.«
    »Wenn du deinen Körper so vollkommen im Griff hast«, fragte er, »warum ist dann dein Kopf so kahl wie eine Billardkugel? Warum benutzt du dann

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