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Heimkehr am Morgen (German Edition)

Heimkehr am Morgen (German Edition)

Titel: Heimkehr am Morgen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Harrington
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vor allem weil ihre Beziehung so kompliziert war. Aber wie konnte sie jetzt noch bleiben, trotz Iris’ Zuspruch? Auch wenn es außer ihr keinen Arzt in der Stadt gäbe, hätte sie vermutlich keine Patienten. Dank Adam und seiner abscheulichen Petition würde sich niemand mehr von ihr behandeln lassen.
    Adam Jacobsen – allein der Name ließ sie schaudern. Und der Gedanke, dass er bei seinem plumpen Versuch, ihr den Hof zu machen, doch tatsächlich seinen sabbernden Mund auf ihre Lippen gepresst hatte. Aber wie hätte sie auch vorhersehen sollen, dass ihre Ablehnung solch einen Feldzug, ihren Ruf und ihre Karriere zu ruinieren, lostreten würde?
    Ein scharfer Ostwind fegte durch die Straßen, und sie zog den Mantel enger um sich. Im Moment musste sie all dies aus ihren Gedanken verbannen. Schließlich würde sie den Mann treffen, der ihr die Flucht aus dieser Stadt ermöglichte.

    Als Jessica am Bahnhof eintraf, fand sie Frederick Pearson im Gebäude vor, wo er gerade mit Abner Willets, dem Bahnhofsvorsteher, diskutierte.
    »Mr. Willets, habe ich Sie richtig verstanden, dass es in diesem
Nest
keinen
einzigen
Träger gibt, der mein Gepäck zum Hotel bringen kann?« Dr. Pearsons knappe, abgehackte Redeweise eines Neuengländers hatte man in der Gegend von Powell Springs vermutlich noch nie vernommen. Er war ein hochgewachsener junger Mann, dem man das privilegierte Leben ansah und anhörte. Sein kastanienbraunes Haar lichtete sich bereits an der Stirn, und beim Essen hatte er anscheinend immer tüchtig zugelangt. Bei Abner jedoch verfehlten sein hochmütiges Gebaren und die maßgeschneiderte Kleidung jede Wirkung.
    »Sehen Sie, Mr. Price …«
    »Doktor Pearson, wenn ich bitten darf.«
    Abner ließ sich nicht beirren. »Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten, wir haben Krieg. Und auch die Influenza hat diese Stadt in ihren Grundfesten erschüttert. Meine jüngeren Gepäckträger habe ich an die Armee verloren, und der ältere liegt krank zu Hause.«
    Jessica nutzte die Gelegenheit zum Eingreifen. Sie durchmaß den mit Kiefernholzdielen ausgelegten Bahnhofsraum, um sich vorzustellen. »Dr. Pearson, ich bin Jessica Layton.« Er schüttelte ihre ausgestreckte Hand. »Es tut mir leid, dass bisher niemand da war, um Sie zu begrüßen. Haben Sie jemandem Ihre Ankunftszeit telegrafisch mitgeteilt?«
    »Dazu war keine Zeit. Nur mit Mühe und Not bin ich dieser Presspatrouille entwischt, die mich in Omaha praktisch aus dem Zug entführt und zur Arbeit im dortigen Krankenhaus gezwungen hat.« Seine Stimme bebte vor Entrüstung und Abscheu. »Ich habe versucht, ihnen zu erklären, dass ich hier erwartet werde, aber das hat sie ganz offensichtlich nicht gekümmert.«
    Jessica nickte. »Im Grunde kann ich deren verzweifelte Lage gut verstehen. In den letzten Wochen habe ich die Patienten hier nur mithilfe von Freiwilligen versorgt, daher bin ich wirklich sehrfroh, Sie zu sehen. Und ich bin sicher, ich finde jemanden, der Ihnen mit Ihrem großen Koffer und den anderen Sachen hilft.«
    »Halleluja, wenigstens habe ich eine einigermaßen kompetente Krankenschwester.«
    Jessica lächelte schmallippig. »Eigentlich bin ich Ärztin.«
    Pearson zog die Augenbrauen in die Höhe. »Wirklich? Eine
Frau
als Arzt.« Sein Tonfall stellte klar, dass er dies als einen Irrtum der Natur betrachtete. An so etwas war sie inzwischen gewöhnt, aber es ärgerte sie trotzdem. »Und wo haben Sie Medizin studiert?«
    »Am Women’s Medical College in Philadelphia.«
    »Tatsächlich. Wie bedauerlich, dass es Ihnen nicht möglich war, eine größere Universität zu besuchen. Wie ich gehört habe, können sich die wissenschaftlichen Vorlesungen an diesen Frauen-Colleges nicht mit einigen der etablierteren Universitäten wie Harvard oder Dartmouth messen.«
    »Doch, Doktor, das können sie sehr wohl.« Jessica, die schon genügend unter Druck stand, riss angesichts Pearsons offenkundiger Herablassung allmählich der Geduldsfaden. Es fehlte nicht viel und sie würde explodieren. »Ich glaube, Bürgermeister Cookson hat nicht erwähnt, wo
Sie
Ihre Ausbildung erhalten haben.«
    Pearson hob das Kinn. »Ich war in Yale.«
    Jess lächelte. »Nicht an der Johns Hopkins University? Was für ein Verlust für diese Institution.«
    Er wurde rot und gab sich mit einem leichten Nicken geschlagen. Zumindest vorerst.
    »Gehen Sie doch schon mal zum Hotel, dann lasse ich Ihre Sachen dorthin bringen. Es wäre nicht schlecht, wenn Sie danach im Krankenhaus

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