Heimkehr am Morgen (German Edition)
davon zu überzeugen zu bleiben – als seine Frau. Letztendlich war er zu Bright’s Lebensmittelgeschäft gegangen, das geöffnet bleiben durfte, und hatte eine teure Pralinenmischung gekauft. Roland Bright hatte beim Anblick der Blumen versucht, Adam auszuhorchen, für wen denn die Geschenke seien, aber Adam war den neugierigen Fragen geschickt ausgewichen.
Auf dem Weg grübelte er darüber nach, wie er Jessica am besten umgarnen sollte, und malte sich eine gemeinsame Zukunft aus. Powell Springs war eine Stadt mit hübschen, ordentlichen Häuschen und großen Gärten voller Bäume, die im Sommer ausreichendSchatten boten. Ein guter Ort, um eine Familie zu gründen. Als seine Ehefrau würde Jessica natürlich ihren Beruf aufgeben müssen. Eine Frau konnte sich nicht um Ehemann und Kinder kümmern und gleichzeitig solch einen verantwortungsvollen Beruf ausüben. Aber bis dahin wäre sowieso Dr. Pearson hier.
Einige Kinder, froh über die unverhofften Ferien im neuen Schuljahr, spielten in den Vorgärten oder auf den feuchten Straßen. Sie winkten ihm zu, als er vorbeiging, und er winkte zurück. Graue Wolken jagten über den Himmel, und ein scharfer Wind ließ das Laub der Eichen, Ahornbäume und Robinien rascheln, das sich bereits zu verfärben begann und hie und da abfiel. So war es in dieser Jahreszeit, es gehörte zum Kreislauf des Lebens.
Doch dieses Jahr erschienen ihm diese Veränderungen wie unheilvolle Vorboten. Er verspürte ein Grauen.
Obwohl es noch Nachmittag war, lagen einige Häuser still da, die Fensterläden fest geschlossen. Niemand brauchte Adam zu sagen, dass hinter diesen Türen die Krankheit Einzug gehalten hatte. Sein Vater hätte wahrscheinlich gesagt, dass diese Epidemie Gottes Strafe für eine sündhafte Welt sei. Vermutlich stimmte das auch, nur manchmal, wenn er länger darüber nachdachte, gerieten seine Überzeugungen ins Wanken. Sein Vater hatte unerschütterlich an die Unfehlbarkeit von Gottes Plan geglaubt. Aber welche Sünde sollte Eddie Cookson begangen haben, um eine Strafe wie diesen qualvollen und viel zu frühen Tod verdient zu haben? Wie wurden die Schuldigen ausgewählt? Wurden sie überhaupt ausgewählt? Er trat nach einem Stein, der auf der Straße lag. Vielleicht verfingen sich die Seelen in Gottes Netz ungeachtet ihrer Schuld oder Unschuld, wie ahnungslose Insekten, die von einem unachtsamen und rücksichtslosen Stiefel zermalmt wurden.
Dieser Gedanke war nicht nur deprimierend, er war geradezu beängstigend frevlerisch, daher schüttelte er ihn rasch ab. Trotz gelegentlicher Zweifel glaubte er fest daran, dass es einen Himmel gab und der Lohn der Gerechten das Paradies war. Genauso inbrünstig glaubte er, dass die Sünder zu ewiger Verdammnis verurteilt waren und es auch verdient hatten.
Als er die Praxis erreichte, standen einige Fuhrwerke und Automobile davor. In einem Fenster überprüfte er kurz sein Spiegelbild, um sicherzugehen, dass seine Krawatte richtig saß, und öffnete dann die Tür. Auf das, was er bei seinem Eintreten vorfand, war er in keiner Weise vorbereitet.
Das kleine Wartezimmer war voller kranker Menschen. Er zählte an die fünfzehn. Jeder Stuhl – mehr, als sonst hier standen – war besetzt, und einige Patienten lagen sogar unter dünnen Decken auf dem Fußboden. Manche hingen regelrecht auf ihrem Stuhl, zu schwach, um sich aufrecht zu halten. Alle zitterten und husteten heftig.
Wie betäubt ließ Adam den Blumenstrauß sinken.
»Mr. Jacobsen«, sprach ihn ein Mann aus einer Ecke des Zimmers an. Adam erkannte Wilson Dreyer, der seine Frau Lily neben sich stützte. Sie war die Bibliothekarin von Powell Springs, aber Adam erkannte sie kaum wieder. Sie sah so schrecklich aus wie sie sich wahrscheinlich fühlte. »Sie sind doch nicht auch krank?«
»Ähm, nein, Mr. Dreyer, ich wollte nur …« Ja, was? Wie konnte er sein Kommen mit all den Insignien eines Mannes auf Freiersfüßen unter solchen Umständen erklären?
Einige andere, die ihn bemerkt hatten, blickten mit fieberglänzenden Augen auf.
»Wenn Sie zur Frau Doktor wollen, stellen Sie sich gefälligst hinten an. Ich warte schon seit einer Stunde«, blaffte ein Mann, den Adam nicht kannte. »Und ich komme auch noch vor denen dran«, sagte er und deutete dabei auf ein Paar am Boden. Der Mann sah aus wie ein Landstreicher, zerlumpt, unrasiert, mit unsteten, geröteten Augen. Eine seiner Backen war stark geschwollen. Adam würde ihn im Hinterkopf behalten – in Kriegszeiten
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