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Heimkehr am Morgen (German Edition)

Heimkehr am Morgen (German Edition)

Titel: Heimkehr am Morgen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Harrington
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werden?«
    Sie nickte. »Darum habe ich die Empfehlung des Roten Kreuzes bezüglich öffentlicher Versammlungen weitergegeben. Amy war ziemlich verärgert darüber.« Sie seufzte. »Und sie hat sich auch über mich geärgert.«
    Er nahm seinen nassen Hut ab und drehte ihn zwischen den Händen. »Ich weiß. Sie war sogar bei Cookson und hat ihn darum gebeten hat, für das Kriegsanleihen-Komitee und das Hotelrestaurant eine Ausnahme zu machen.«
    »Das hat sie getan?«
    »Gestern Nachmittag kam sie in der Schmiede vorbei, um mir davon zu erzählen.«
    »Wie hat er reagiert?«
    »Er hat sich geweigert. Wahrscheinlich hast du ihn davon überzeugt, wie wichtig es ist.«
    »Sie hat erwähnt, sie würde darauf warten, dass du, na ja …« Ihr Tonfall deutete eine Frage an, zu deren Beantwortung er nicht bereit war.
    Sichtlich unbehaglich veränderte er seine Sitzposition und legte den Fuß auf dem Knie ab. »Ja, ich weiß. Aber durch den Krieg ist so viel zu tun …«
    »Das hat sie auch gesagt. Ich bin etwas überrascht.«
    »Weswegen?«
    »Von einem Mann, der so wild aufs Heiraten zu sein scheint, hätte ich erwartet, das wäre längst geschehen.« Ihre grünen Augen funkelten.
    Er hatte nicht vergessen, wie direkt Jess sein konnte, nur traf es ihn unvorbereitet. Da er sich ärgerte, dass sie ihn in Verlegenheit gebracht hatte, ging er seinerseits zum Angriff über.
    Er stellte die Beine wieder nebeneinander und lehnte sich mit den Ellbogen auf den Knien nach vorn. »Ach ja? Vor gar nicht allzu langer Zeit warst du auch ganz wild aufs Heiraten. Warum fällt es dir so schwer zu erklären, weshalb du nicht zurückgekommen bist?«
    Wie eine Schildkröte, die sich in ihren Panzer verkriecht, zog sie das Kinn ein und nestelte an ihrem Kragen. »Ich sehe keinen Sinn darin, ausgerechnet jetzt mit dir darüber zu diskutieren.«
    »Ich denke aber, zumindest das bist du mir schuldig, meinst du nicht auch?«
    Sie setzte sich aufrechter hin. »Ich schulde dir gar nichts. Schließlich hast du auch nie um meine Hand angehalten. Und du bist derjenige, wegen dem alles … anders ist.«
    In seinem Innern brannte eine Frage wie glühende Kohle, eine Frage, die er sich in seinem verletzten Stolz nie zu stellen erlaubt hatte. Amy hatte da etwas angedeutet, aber nie ausgesprochen. Doch nun, da der Tod angeklopft hatte und den Jungen im Krankenzimmer und vielleicht noch weitere Seelen holen wollte, schluckte er seine männliche Eitelkeit hinunter. »Gab es einen anderen?«Obwohl sie sich schon leise unterhielten, war diese Frage nur noch ein Flüstern.
    Sie starrte ihn mit offenem Mund an. »Wie bitte?«
    »Amy hat erwähnt, du hättest einen Arztsohn kennengelernt. Jemand namens Stafford oder Stanton …«
    »Dr. Stavers? Ja, ich habe die Bekanntschaft von ihm und seiner Familie gemacht. Sie waren so freundlich und haben mich einmal zum Abendessen eingeladen. Ein paarmal bin ich auch mit ihnen ins Theater gegangen.«
    »Und der Sohn?«
    »Andrew?«
    Er lehnte sich zurück und musterte sie prüfend. »Und? Was hat er dir bedeutet? Ist er der Grund, warum du nicht zurückgekommen bist?«
    Sie ließ die Stirn in die Handfläche sinken. Aus der Tasche ihrer schmutzigen Schürze zog sie ein Taschentuch, mit dem sie sich die Augen wischte. Er wusste nicht, ob sie lachte oder weinte.
    »Mein Gott, es hat
nie
einen anderen Mann gegeben«, sagte sie schließlich. »Ich habe so viel Armut gesehen. So viel Verwahrlosung. Und Elend und Ausgrenzung. Ich habe Frauen aus Einwandererfamilien behandelt, die vom Hunger und von zu vielen Geburten hintereinander völlig ausgezehrt waren. Es gab Kinder, die sind an so banalen Krankheiten wie einer Erkältung gestorben, weil ihrem Körper die Kraft fehlte, gegen die Infektion zu kämpfen.« Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. Ihre Miene war zornig und hilflos. »Ich habe Babys mit Rattenbissen gesehen, Babys, die zu schwach zum Trinken waren. Ich habe Frauen gesehen, die von ihren betrunkenen Ehemännern oder von Freiern, die sie in irgendwelchen dunklen Gassen trafen, grün und blau geschlagen worden waren. Ich habe Sterbende besucht, die man in schmutzigen, stickigen Räumen irgendwo in der Ecke sich selbst überlassen hatte, zu zwölft in einem Raum, der kaum groß genug für vier gewesen wäre. Viele Zimmer hatten keine Fenster und wurden im Fall eines Feuers zu Mausefallen, nur weil irgendein geldgieriger Vermieter sie von anderen Räumen abgetrennt hatte,um noch mehr Profit zu machen. Es waren

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