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Heimkehr der Vorfahren

Heimkehr der Vorfahren

Titel: Heimkehr der Vorfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhardt del'Antonio
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verbunden sein, jede Stunde gemeinsam erleben. Er hatte sich ausgemalt, wie sie ihn umsorgen würde, wie sie nur für ihn da wäre, wie sie ihm jeden Wunsch von den Augen ablesen, sich ganz auf ihn einstellen würde.
    Statt dessen trat sie wieder auf der Bühne auf, fuhr zu Historikerkongressen, hielt öffentliche Vorträge. Sie war beinahe jeden Tag unterwegs, er aber saß daheim, wartete, zählte die Stunden. Weder die Hausarbeit noch Besorgungen oder Gartenarbeit füllten ihn aus. Darüber half auch das sporadische Selbststudium nicht hinweg, mit dem er seine Wissenslücken zu schließen versuchte. Zwar stellte Pala ihm Aufgaben, sah seine Arbeiten durch und prüfte ihn von Zeit zu Zeit; aber daß er der Schüler seiner Frau sein sollte, behagte ihm nicht. Er hatte versucht, sich in der Landmaschinenzentrale der Stadt an Reparaturen zu beteiligen, aber sehr schnell davon Abstand genommen, als er spürte, daß dazu mehr technische Kenntnisse gehörten, als er, der Chefingenieur der Kosmos, besaß. Konnte er seine Genossen derart bloßstellen? Er durfte wohl kaum erwarten, daß man sich hier in Rivertown in ihre Lage zu versetzen vermochte. Man hatte ihm angetragen, vor den Bürgern der Stadt Vorträge zu halten, über die Titanen, über die Kosmos, aber er fürchtete Fragen, die ihn bloßstellen konnten.
    So jedenfalls hatte er sich sein Leben nicht vorgestellt. Er hatte davon geträumt, Pala würde ihm vom Dachgarten zuwinken, wenn er nach Hause kam, und nun stand er hier und wartete. Die Vorstellung der Metropolitan-Oper mußte längst zu Ende sein – Pala hätte bereits hier sein müssen.
    Daß Pala eine Tochter hatte, aber nicht daran dachte, sie nach hier zu holen, damit hatte er sich abgefunden. Vielleicht war die Kleine im Kinderparadies tatsächlich besser aufgehoben. Oder fühlte sich Pala gebunden, wenn auch ihre Tochter sich bei ihm aufhielt? Vielleicht wollte sie gar keine dauerhafte Bindung? Es war heutzutage einfach, auseinanderzugehen. Sogar mit dem Vater des Kindes unterhielt sie nur lose Beziehungen. Sie sprach zwar voller Achtung von ihm, erklärte aber, sie wolle nicht mit ihm zusammen leben. Das Kind? Sie hätte es haben wollen, jawohl, von diesem Mann.
    »Aber das heißt doch nicht, daß ich mit ihm ein Leben lang… Zusammenleben, das erfordert höchste Übereinstimmung.«
    Ein Wagen kam die Bergstraße herauf. Stafford richtete sich erwartungsvoll auf. Kam sie endlich? Der Wagen fuhr vorüber.
    Ein gewünschtes Kind also – und sie liebte es tatsächlich. Fast täglich sprach sie mit dem Mädchen über Bildtelefon, und die Kleine vertraute der Mutter ihre Sorgen und Freuden an. Wenn er an seine Kindheit dachte: Ma war immer für Pa und die Kinder dagewesen, war den ganzen Tag im Hause.
    Gräßlich diese Warterei, man stand und schaute und hoffte und kam sich ausgeschlossen vor, isoliert, unnütz. Wann würde dieser Zustand ein Ende nehmen? Oder sollte es immer so bleiben?
    Wieder tauchte, beinahe unhörbar, ein Wagen auf; seine Lichtfinger tasteten die Bergstraße ab. Er hielt am Gartentor.
Aber Stafford blieb auf dem Dachgarten, selbst als Pala ausstieg und nach ihm rief. Der Wagen wendete und glitt in die Nacht zurück. Pala ging ins Haus. Schließlich betrat sie den Dachgarten.
»Hier bist du? Und ich suche dich.« Sie wirbelte auf ihn zu und warf sich in seine Arme. »Einundzwanzig Vorhänge, James, einundzwanzig, stell dir vor!«
»Gratuliere!« sagte er.
Sie fuhr ihm durchs Haar. »Sehr überzeugend klang das aber nicht.«
Seine Vorwürfe erstarben ihm auf den Lippen.
»Du kommst spät«, sagte er nur. Nun, da er sie im Arm hielt, verflog seine Bitterkeit.
»Warum kommst du nicht mit?«
»Soll ich zusehen, wie man dich mit Blicken verschlingt? Wo warst du so lange?«
»Wir saßen noch zusammen, im Künstlerklub… Ein toller Betrieb. Fast das ganze Publikum war gekommen! Habe ich getanzt…!«
»Du hast mich offenbar nicht vermißt«, sagte er gekränkt.
Sie löste sich von ihm. »Was soll das?«
»Mußtest du unbedingt dabeisein? Du wußtest, daß ich warte«, sagte er. »Ma ist stets für Pa dagewesen.«
»Wir leben im vierundzwanzigsten Jahrhundert, James«, sagte Pala. In ihrer Stimme lag Nachsicht. »Was für ein Leben führte deine Mutter denn – ihres oder eueres? War es menschenwürdig? War sie glücklich dabei? Innerlich ausgefüllt? Mensch sein, das heißt doch vor allem schöpferisch tätig sein, alle seine Fähigkeiten entwickeln und anwenden.«
Er schüttelte den Kopf.

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