Heimkehr der Vorfahren
hatte, seine Hoffnung ginge nun doch noch in Erfüllung, so verstand er es jedenfalls, sich zu beherrschen. »Das war doch der angehende Biologe aus dem Nachbarhaus?« Er schmunzelte. »Wie hieß er noch, Spark?«
»Er hatte mich geküßt, und ich beichtete dir…«
»Du wußtest nicht recht, was du tun solltest…«
»Küß ihn wieder, wenn du es möchtest, sagtest du damals!«
Maro lachte auf. »Wie selbstlos man manchmal ist. Aber nun heraus mit der Sprache, wie heißt er jetzt – Romain?«
»Romain?« Vena war überrascht.
»Ich bin nicht blind, außerdem: Er ist es wert!«
Vena erwiderte nichts. Sie war verwirrt, das ausgesprochen zu hören, was ihr selber bisher noch nicht bewußt geworden war. Daß auch Onkel Maro Romain schätzte, tat ihr wohl.
Sie hatte bei Romain nie das Gefühl, einen Menschen aus einem vergangenen Jahrhundert vor sich zu haben. In vieles hatte er sich verblüffend schnell hineingefunden. Zu alledem wußte er so fesselnd von den Titanen zu berichten, daß sie den fernen Planeten zum Greifen nahe vor sich sah. Dieser Mann war ihr sympathisch, und sie ertappte sich dabei, daß sie begann, ihn mit Raiger zu vergleichen.
War es nur Sympathie? Wartet man dann darauf, daß er während der Besprechung herübersieht? Deutelt man dann herum, ob der Händedruck länger dauerte als üblich? Steht man dann vor dem Fernsehschirm und prüft das Spiegelbild? Provoziert man dann bewundernde Blicke – und freut sich noch darüber?
Sie entsann sich Maros Gegenwart.
»So einfach ist das nicht, Onkel Maro. Wie mußte sich vor dreihundertfünfzig Jahren eine Frau verhalten, wenn ihr ein Mann gefiel?«
Maro sah sie forschend an. »Das fragst du mich?«
»Kann nicht, was heute selbstverständlich ist, in den Augen der Heimkehrer leichtfertig erscheinen, oberflächlich? Du bist doch Historiker.«
Maro hob die Hände. »Das ist alles Unsinn. Du kennst Romain lange genug, um zu wissen, daß er kein Einfaltspinsel ist. Ein Mann wie er sucht kein Anhängsel, sondern einen echten Partner. Er würde nicht wie Raiger nur das Weibchen in ihr sehen, sondern vor allem den Menschen. Entschuldige, aber so ist das. Natürlich kann es passieren, daß er dich mißversteht – ich meine, aus Unkenntnis falsch oder nicht versteht –, aber niemals im abfälligen Sinn. Also küß ihn wieder oder auch zuerst, wenn dir danach zumute ist!«
Das Gespräch mit Maro hatte nicht alle Fragen beantwortet, aber es hatte Vena erleichtert. Vor ihrer Verabredung mit Romain fuhr sie noch schnell in die Stadt ins Kleidermagazin. Sie wählte ein schlichtes Kleid in zartem Pastellrot. Dazu nahm sie gleichfarbige Schuhe mit halbhohem Absatz. Sie hätte lieber hohe Absätze getragen, aber Romain war ohnehin zwanzig Zentimeter kleiner als sie. Leichtfüßig lief sie über den Plattenweg. Was würde Romain sagen? Ob er überhaupt etwas Persönliches zu ihr sagte?
Romain und Nasarow saßen auf der Terrasse. Die Begrüßung war herzlich.
»Sind Sie fertig?« fragte Vena und freute sich, als Romains
Augen aufleuchteten.
»Ich habe auf Sie gewartet«, sagte Romain.
Während sie mit ihm durch die Siedlung ging, sah er sie
immer wieder an. »Eine ganz andere Vena Rendhoff als in
Uniform.«
»Welche gefällt Ihnen besser?«
»Das ist nicht einfach. Jetzt erkenne ich zum erstenmal die
Frau – bisher sah ich nur die Vorsitzende der Kommission.« »Sie haben schon besser geschwindelt, Ihre Betreuerin war
ich schon immer.«
»Ja, aber unnahbar, finde ich. Respekt vor der Uniform!« »Respekt wäre Ihnen lieber?«
»Mitnichten…« Er stockte. »Sicherlich sagen die Männer
von heute so etwas eleganter. Aber bitte, verstehen Sie, Vena,
mehr als dreihundertfünfzig Jahre – so lange bleibt man nicht
in der Übung.«
Sie freute sich, daß er nur Vena gesagt hatte. »So sehr merkt
man es Ihnen gar nicht an.«
»Dabei bin ich so unsicher«, behauptete er. »Vielleicht macht
es nur Ihre Verwandlung?«
»Ich ziehe mich schnell wieder um.« Sie wollte zurückgehen.
Er hielt sie behutsam am Arm fest.
»Bitte nicht! Es fällt mir nur schwer, Komplimente zu machen.«
»Die liebe ich auch nicht«, erwiderte sie. Offenbar hatte er
nichts begriffen. Sie wollte ihm doch eine Freude machen,
wollte Klarheit, wollte ihm näherkommen. »Heute zeigt man
auf andere Weise, was man voneinander hält«, sagte sie vorsichtig.
»Was sagt man, wenn man jemanden leiden kann?« fragte er
ebenso zurückhaltend.
»Es gibt viele Möglichkeiten. Man drückt es auch mit Farben
aus.
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