Heimkehr der Vorfahren
aufstellen sollen, dennoch bin ich überzeugt, daß selbst dann kein maximaler Erfolg möglich gewesen wäre. Die Schwierigkeiten ergeben sich nicht, weil die Vorsitzende der Kommission versagte, sondern weil hier, kraß wie nie zuvor, Vergangenheit und Gegenwart aufeinanderprallten. Vena Rendhoff, das möchte ich hier ausdrücklich feststellen, hat sich mit ihrer ganzen Person für unsere Belange eingesetzt, und sie hat auch ein Höchstmaß an Verständnis für uns aufgebracht, wie wir es nach Lage der Dinge nie erwarten konnten.«
Ein Zwischenrufer meldete sich zu Wort: »Ihr Versagen liegt darin, daß sie nicht verstand, Sie von der Notwendigkeit des Wiedereingliederungsprogramms zu überzeugen!«
»Das sind doch leere Worte!« brauste Romain auf. Der Zorn schwemmte seine Unsicherheit hinweg. Jetzt kümmerte es ihn nicht mehr, was man von ihm dachte. »Hätten Sie die Garantie übernehmen können, das zu schaffen? Es muß Ihnen doch klar sein, daß wir Ihre Welt nicht kennen und nicht Ihr Leben. Hinzu kommt, daß wir mehr als zehn Jahre – oder, wenn Sie wollen, mehr als dreihundertfünfundvierzig Jahre – zusammengepfercht waren und sich bei manchen unserer Genossen die Vorstellung festgesetzt hatte, auf der Erde sofort aller dieser Beschränkungen ledig zu sein. Und hier habe ich versagt, als der verantwortliche Ideologe an Bord. Ich verstand es nicht, die auf der Erde zu erwartende Situation vorauszuahnen und meine Genossen vorzubereiten. Vena Rendhoff in diesem Hohen Hause zu verurteilen bedeutet zwangsläufig eine Aberkennung der mir verliehenen Auszeichnung. Ich bitte darum, die Aberkennung dann auch offen zu verkünden!«
Romain setzte sich, heftig atmend. Vena blickte ihn verwundert an und schüttelte kaum merklich den Kopf. Im Saal trat eine beunruhigende Stille ein.
Die Alterspräsidentin rettete die Situation.
»Gestatten Sie mir, verehrter Genosse Romain, eine Erwiderung. Ich glaube, Sie gehen von einer falschen Voraussetzung aus. Vena Rendhoff wird hier nicht verurteilt oder bestraft; wir bedauern, wenn dieser Eindruck entstanden ist. Sie hatte einen Auftrag, und hier soll nur geprüft werden, ob sie ihn erfüllte oder ob sie ihm nicht gewachsen war und deshalb mit einer anderen Aufgabe betraut werden muß. Das ist doch nichts Ehrenrühriges. Ihren Auftrag hat sie nicht erfüllt!«
»Aber dann sollte man prüfen, ob sie ihre Aufgabe überhaupt erfüllen konnte oder ob die nicht von vornherein unerfüllbar war!« fuhr Romain dazwischen. »Entschuldigen Sie!« fügte er hinzu.
Die Präsidentin lächelte. »Ich begrüße Ihre Impulsivität. Und ich glaube, Sie haben einen wunden Punkt berührt. Es wäre zu prüfen, ob Vena Rendhoff unter den gegebenen Umständen mehr zu erreichen vermochte.«
»Gestatten Sie einen Vorschlag«, erwiderte Romain, nun wieder beherrschter. »Bevor darüber entschieden wird, ob Vena Rendhoff ihrer Aufgabe gerecht wurde, wobei auch die Arbeit der Expeditionsleitung zu untersuchen wäre, erscheint es mir geraten, über einige Vorschläge zu debattieren, die Vena Rendhoff gemeinsam mit der Expeditionsleitung erarbeitet hat. Es handelt sich um ein Sofort- und ein Perspektivprogramm, mit dem wir die augenblickliche Situation zu überwinden hoffen. Erst wenn diese Vorschläge debattiert sind, kann man, glaube ich, über Vena Rendhoffs Arbeit befinden!«
Seinem Antrag wurde entsprochen. Vena wurde gebeten, die Programme zu erläutern. Jetzt wirkte Vena wieder frisch. Überzeugend legte sie dem Rat dar, daß es erforderlich sei, die Erkrankten in die Heimkehrersiedlung zu überführen, nach den Geflüchteten zu fahnden, sämtliche abgereisten Heimkehrer durch die örtlichen Medizinalbehörden untersuchen zu lassen, ihre Tätigkeit zu fördern, die Betreuerinnen zu täglicher Berichterstattung zu verpflichten. »Wir müssen ständig informiert sein, welche Schwierigkeiten auftreten, damit wir ihnen vorbeugen und das Wiedereingliederungsprogramm danach umarbeiten können. Wichtig erscheint uns ferner, daß umgehend – und zwar vor allem auch mit den abgereisten Heimkehrern – persönliche Gespräche geführt werden. Dabei ist zu ergründen, welche Voraussetzungen wir schaffen müssen, um sie für das Wiedereingliederungsprogramm zu gewinnen. Es muß eine Synthese gefunden werden zwischen den individuellen Wünschen und dem Programm.« Sie ging noch auf Teilfragen ein, beantragte einen Ratserlaß, nach dem alle Einladungen in das Programm einbezogen und zeitlich entsprechend
Weitere Kostenlose Bücher