Heimkehr der Vorfahren
»Die Frau gehört zum Manne, und du gehörst zu mir; wozu wären wir sonst verheiratet?«
»Du meinst, es wäre nun meine Pflicht, dein Haus zu versorgen und mit dir ins Bett zu gehen? Hältst du mich für ein selbstloses Objekt deiner Bedürfnisse, für den Rahmen deines Ichs?«
Pala war bleich, ihr Atem ging kurz.
Er versuchte sie zu beschwichtigen, so sei es nicht gemeint gewesen. Er verstummte unter ihrem Blick.
»James«, sagte sie mühsam beherrscht, »bitte erspare uns solche Szenen…«
Vena und Romain saßen auf einer Bank am Ufer des Sees, der die Heimkehrersiedlung von zwei Seiten umgab, und beobachteten die Wellengleiter, die mit schäumender Heckwelle über das Wasser brausten. Hin und wieder kam auch ein Luftkissenboot vorbei und peitschte die Wellen der anderen Boote nieder.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Romain. »Wozu eine öffentliche Sitzung?«
Romain liebte die Spaziergänge mit Vena, er fühlte sich wohl in ihrer Nähe. Dann lauschte er gern ihrer Stimme, wenn sie sich mit ihm über Vergangenheit und Zukunft unterhielt, und freute sich, wenn es ihm gelang, sie zum Lachen zu bringen. Daß sie ihm geistig überlegen war, störte ihn seltsamerweise nicht, sondern spornte ihn an, möglichst schnell nachzuholen, was ihm fehlte. Und jetzt saß er neben ihr, spürte die Wärme ihrer Schulter – und verwünschte alle, die dieser Stunde den Glanz nahmen: den Astronautischen Rat, die Ausreißer und die Expedition.
Vena schob ihre Hand über seine Rechte, betrachtete sekundenlang sein Gesicht und sagte dann, müde, wie ihm schien: »Du verstehst sehr gut, George. Zwei Mann spurlos verschwunden; was sie anstellen, wissen wir nicht. Wir wissen nur, daß ihre Flucht für sie nicht ungefährlich ist. Vier Mann im Krankenhaus mit dieser verteufelten Influenza…«
»In Wirklichkeit halb so schlimm. Das hatten wir früher mehrmals im Jahr. Geht vorüber, Vena. Erscheint dir nur so schlimm, weil ihr kaum noch Krankheiten kennt. Sollst sehen, wenn Tarsa, Sundberg und Sandrino erst wieder hier sind, werden wir mit der Influenza in ein paar Tagen fertig.«
»Dann die neuesten beiden Alkoholexzesse…«
»Die beiden knöpfe ich mir vor, verlasse dich darauf – sich betrinken und dann über die Gastfreundschaft herziehen!«
»Erstens trifft sie weniger Schuld, als du annimmst. Sie kennen doch die Tücken der Getränke nicht, wissen also nicht, wann sie aufhören müssen – und die Gastgeber wußten nicht, daß sie diese Grenzen nicht kennen. Und was ihre Meinung angeht, daß wir heute überheblich wären – George, ich bin sicher, daß sie es wirklich so empfanden. Es gibt tatsächlich Menschen, die überheblich auf euch herabschauen, sogar mit Geringschätzung…«
»Menschen, die sich einbilden, der Nabel der Welt zu sein, gab es immer, früher sicher mehr als heute«, sagte er.
»Ich glaube, es ist einfach Unkenntnis und Verständnislosigkeit«, widersprach sie. »Das alles hat in der Öffentlichkeit Staub aufgewirbelt und hat eurem Ansehen geschadet. Deswegen die öffentliche Sitzung, die der Astronautische Rat einberufen hat.«
Er legte ihr den Arm um die Schulter und zog sie an sich.
»Ich bin dabei, Vena, ich halte mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg.«
Sie erhob sich. »Komm, es ist Zeit, daß wir gehen.«
Romain hatte zusammen mit der Expeditionsleitung und den Kommissionsmitgliedern in der ersten Reihe des Kongreßsaales Platz genommen. Vorn am Pult stand Vena und erstattete dem Forum der vierhundert Ratsmitglieder Bericht. Er bewunderte sie. Sachlich trug sie die Sachverhalte vor, beschönigte nichts, schätzte kritisch ein – und blieb bei allem selbstbewußt.
Nach ihr sprach der Sekretär des Rates.
»Ich danke Vena Rendhoff für den Bericht. Ich fasse noch einmal zusammen. Da es nicht gelang, die Expeditionsmitglieder für das Programm zu gewinnen, fehlte ihnen ein umfassendes Bild unseres Lebens. Das führte dazu, daß in der Öffentlichkeit ihr Ansehen gelitten hat und daß die Auswertung der Expeditionsergebnisse gefährdet ist. Ich stelle fest, daß Vena Rendhoff ihrer Funktion nicht gerecht wurde und nicht die Erwartungen erfüllte, die der Rat in sie gesetzt hat. Ich beantrage deshalb ihre Ablösung als Vorsitzende der Kommission und Neubesetzung dieser Funktion.«
Ein Für und Wider brach an. Die Diskussion reichte von unbedingter Zustimmung bis zur Ablehnung des Antrages.
Romain rückte unruhig auf seinem Sessel hin und her. Seine Gelassenheit verließ ihn. Er hätte
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