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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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schnellen Blick ringsum, nicht aus einem bestimmten Grunde, sondern aus gewohnter Vorsicht.
    Dabei erkannte er die Mündung einer Büchse, die sich nicht weit von ihm entfernt an einem Baumstamm vorbeischob. Der Indianer ließ sich sofort fallen, gleichzeitig krachte schon der Schuß. Stein mit Hörnern fühlte einen Stoß am Kopf, überschlug sich, stürzte über die Felswand hinunter und noch ein Stück den Abhang hinab, bis er zwischen Gesträuch hängenblieb. Er hatte sich im Stürzen zusammengerollt, so daß sein Kopf und die Glieder geschützt blieben.
    Der Sturz war sein Glück, denn dadurch war der Schütze nicht zu einem zweiten Schuß gekommen. Das Blut lief Stein mit Hörnern vom Kopf, und er hatte Prellungen davongetragen. Aber er begriff, was vorgegangen war und was er jetzt zu tun hatte. Er mußte es ohne weittragende Schußwaffe mit einem gefährlichen Feinde aufnehmen. Während ihm Farben und Formen noch vor den Augen verschwammen, raffte er sich schon wieder auf. Er schlang das Gürteltuch um den Kopf, um keine Blutspuren zu hinterlassen, und mit allmählich klarer werdendem Blick schlich er den Wald weiter abwärts zum Flusse hin.
    Der andere mußte gesehen haben, daß Stein mit Hörnern keine Büchse bei sich hatte. Der Indianer lauschte, denn er erwartete, daß sein Feind ihn verfolgen würde, aber erstaunlicherweise lief der andere nicht bergabwärts, sondern bergaufwärts. Er lief so schnell und rücksichtslos, daß Stein mit Hörnern ihn noch lange hören konnte. Der Indianer hätte gern die Verfolgung dieses erneut flüchtenden Mannes aufgenommen, aber er sagte sich selbst, daß er mit seiner Kopfverletzung jetzt nicht schnell und sicher genug war, um den anderen noch einzuholen und mit ihm zu kämpfen. Er mußte sich damit begnügen, seinem Feinde zu entrinnen. Daher setzte er den Weg abwärts zum Flusse hin fort, nahe an dem Zeltdorf der Dakota vorbei, das auf der Lichtung unterhalb der Felswand stand.
    Als er den Fluß erreichte, trank er durstig, um den Blutverlust wettzumachen, und versteckte sich hinter einem Felsblock, den er schon von seinen Knabenspielen her kannte.
    In der Stille des Wintermorgens waren oben am Berg noch immer kratzende Tritte zu vernehmen. Auf einmal schien sich in der Höhe ein Kampf zu entspinnen. Die Schallwellen wutentbrannt geschleuderter Flüche, das Geräusch brechender Äste, Laute wie vom zornigen Stampfen eines Pferdes mischten sich. Ein Schrei gellte wieder, ausgestoßen von derselben Stimme wie in der Höhle, dann tobte es hangabwärts, aber nicht in der Richtung, in der Stein mit Hörnern lag, sondern mehr ostwärts.
    Flucht und Verfolgung, die Sprünge schwerer Füße, Huftritte zogen sich durch den Wald hinunter. Aber es krachte kein Schuß mehr.
    Der erste hatte jedoch genügt, um die Dakotakrieger zu alarmieren, die ihre Zelte auf der Lichtung unterhalb des Felsens und des Höhleneingangs aufgebaut hatten. Stein mit Hörnern vernahm Rufen im Wald und hoffte, daß die Dakota den fliehenden Feind noch einholen würden.
    Diese Hoffnung ging jedoch nicht in Erfüllung. Nach einiger Zeit erklang der dunkle Ton der Kriegspfeife, der die Männer zurückrief. Drei von ihnen kamen am Flusse entlang. Stein mit Hörnern hörte sie sprechen und entnahm ihren ärgerlichen Reden und Gegenreden, was geschehen war. Der Flüchtling hatte sein eigenes Pferd erreicht und war in die Prärie hinaus geflohen, wo er zu Fuß nicht mehr verfolgt werden konnte. Bis die Krieger ihre Pferde holten, war sein Vorsprung wiederum zu groß. Der Häuptling hatte daher befohlen, die Verfolgung abzubrechen.
    Die drei Krieger verließen das Flußufer, ohne daß sie Stein mit Hörnern hinter dem Block entdeckten. Möglicherweise hatten sie ihn auch gesehen und ließen sich das nicht anmerken. Zwischen den Dakota in den Black Hills und Stein mit Hörnern schien sich eine Art Burgfrieden herauszubilden.
    Als er wieder allein war, fing er sich einen Fisch, verspeiste ihn und schlich sich dann langsam bergaufwärts durch den Wald. Er wollte zu seinen Tieren, zu seinem Fellrock und zu seinen Decken, die er als Verwundeter in der nächsten Nacht brauchte.
    Unterwegs im Walde pfiff er seinem Falbhengst, der auch herankam. Das Tier war nicht verletzt. Stein mit Hörnern schwang sich auf, um seine Kräfte zu sparen, und verfolgte ein Stück weit die Spuren des Kampfes, der sich zwischen dem Mustang und dem flüchtenden Weißen abgespielt hatte. Der Hengst mußte dem Mann, der ihn wahrscheinlich

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