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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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noch einmal hoch, und mit der letzten und äußersten Wucht warf er sich wieder in den Riemen zurück.
    Das Fleisch zerriß mit einem Geräusch, das selbst dem aufnehmenden Ohr noch weh tat. Stein mit Hörnern stürzte ins Gras, er schlug dumpf auf, und wie tot blieb er liegen.
    Er wußte nicht, daß sein Vater Mattotaupa der erste war, der zu ihm kam und sich zu ihm niederkniete. Niemand hatte es unternehmen wollen, Uinonah aufzuhalten, als auch sie zu dem Bruder hinging. Aber der Zauberer kam nicht, keiner der Geheimnismänner kam herbei, obgleich das Opfer gelungen war.
    Die Umstehenden blieben lange stumm. Endlich verließ einer nach dem anderen den Festplatz. Ein Geflüster erhob sich, unbestimmt, wie flatternde Winde. Vielleicht stammte die staunenswerte Kraft, mit der dieser Sonnentänzer sich noch losgerissen hatte, nicht vom Großen Geheimnis noch von der großen Sonne, sondern war ein böser Zauber, den alle fliehen mußten? Häuptling Brennendes Wasser scheuchte seinen Sohn Donner vom Berge und seine Tochter Sitopanaki ins Zelt, damit sie nicht in die Gewalt eines solchen Zaubers gerieten.
    Mattotaupa schaute um sich wie ein Büffel, den Wölfe umzingelt haben und zerfleischen wollen. Da sah er Tashunka-witko, den er haßte und nicht mehr bezwingen konnte, da sah er die Schwarzfüße, deren Geheimnismann seinen Sohn hatte am Pfahle sterben lassen wollen. Da standen sie alle. Und nun gingen sie weg. Feinde, sie alle, Feinde!
    Er trug seinen Sohn allein in die dunkelnde Prärie hinaus.
    Als er anhielt, merkte er erst, daß Uinonah mitgekommen war.
    »Bringe Decken und Krauter und Binden und die Pferde«, sagte er heiser. Er konnte kaum sich selbst verstehen, aber die Tochter verstand ihn. Er hatte auch nicht daran gedacht, daß der Falbhengst keinem anderen Menschen folgte als seinem eigenen Herrn, und wiederum hatte er nicht wissen können, daß Uinonah das Pferd zu streicheln und mit ihm zu sprechen verstand.
    Sie kam mit dem Falben und Mattotaupas Schecken und mit der Schimmelstute als Packpferd. Sie brachte Decken, Kleidung, Bastbinden und Krauter. Sie holte Wasser, um die Bastbinden anzufeuchten, so daß sie im Trocknen fest anschlössen. Als der Bruder sich zum erstenmal wieder rührte, gab sie ihm zu trinken. Sie hatte ein Messer mitgebracht, einen spitzen zweischneidigen Dolch, sehr scharf geschliffen; der Griff war kunstvoll in der Form eines Vogelkopfes geschnitzt. Da Stein mit Hörnern noch nicht wieder fähig war zu sehen oder zu hören, gab sie die Waffe einstweilen Mattotaupa. »Es ist für ihn«, sagte sie, »ein heiliges Messer. Donner vom Berge schenkte es seinem Blutsbruder.«
    Dann ging sie. Denn sie war ein Mädchen, und das Leben, das Vater und Bruder nun wieder beginnen mußten, konnte sie nicht teilen. Der große schwarze Wolfshund, der mit den Pferden gekommen war, zögerte, ob er dem Mädchen zu den Zelten zurück folgen sollte. Er winselte und nahm Witterung. Endlich setzte er sich zu dem Falben.
    Mattotaupa blieb allein bei seinem Sohn. Er horchte auf jeden leisen Atemzug, und er lauschte zugleich hinüber zu den Zelten der Festteilnehmer. Es war unruhig dort, denn ein Teil brach die Zelte schon ab und begann, noch vor der Morgendämmerung zurück in die heimatlichen Prärien zu wandern. Gelöste Zeltplanen flatterten im Nachtwind, Pferde stampften, Hunde jaulten, Rufe ertönten. Bald ließ sich schon das Geholper von Tragestangen auf dem Steppenboden hören, und die Schatten von Reitern und Reiterinnen zeichneten sich ab. Der Himmel wölbte sich sternenklar über dem Land.
    Mattotaupa hatte alle Waffen zur Hand. Er war darauf gefaßt, daß die Dakota mit Beendigung des Festes und des Festfriedens ihn sofort angreifen und versuchen würden, ihn und seinen Sohn zu töten. Zwar wäre es eine Schmach gewesen, einen Mann, der das Sonnenopfer gebracht hatte, als Wehrlosen zu ermorden, aber Mattotaupa hatte zu lange an der Grenze zwischen Weißen und Roten gelebt, um noch auf Edelmut von Feinden zu vertrauen. Er spähte, ob sich jemand näherte. Er wünschte fast, daß Tashunka- witko die Schande auf seinen Namen laden und angreifen würde. Mattotaupa fühlte in diesem Augenblick Erbitterung genug, um zum drittenmal den Zweikampf mit diesem Feinde zu wünschen. Aber Tashunka-witko kam nicht, obgleich sein Zelt noch auf dem Festplatze stand. Er versuchte auch nicht, Mattotaupa zu töten und den bewußtlosen jungen Krieger mit sich zu schleppen.
    Mattotaupa blieb mit seinem Sohn

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