Heimkehr zu den Dakota
niederkniete, verfuhr er mit ihm in der gleichen Weise, aber nur scheinbar. In Wahrheit hatte der Geheimnismann mit dem Messer diesmal tiefer gefaßt. Stein mit Hörnern wußte nun, was ihm bevorstand.
Die beiden jungen Krieger lehnten sich zurück, so daß das Gewicht des Körpers die Riemen straffte. Seite an Seite stehend, richteten sie den Blick in die Strahlen der aufgehenden Sonne. Blut floß aus den Wunden und sickerte am Körper herunter.
Die Menge der Festteilnehmer feierte den Beginn des Opfers mit rasendem Lärm. Schüsse krachten, die Rauchwölkchen stiegen auf. Trommelschläge erzeugten dumpfes wirbelndes Getöse. Männer und Knaben schrien laut. Pfiffe schrillten. Die Schallwellen brandeten um die beiden Opfernden und ließen sie im Beginne ihrer körperlichen Qualen wissen, daß sie, obgleich vom Fichtenzaune eingegrenzt Und abgegrenzt, doch nicht allein, sondern die Mitte der Gemeinschaft von Männern, Frauen und Kindern waren.
Den ganzen Tag hindurch, bis zum Sonnenuntergang, hatten die Sonnentänzer von nun an zu stehen und ihre Stellung im Kreis um den Pfahl nur jeweils so zu verändern, daß sie das Gesicht immer der wandernden Sonne zukehrten und immer in ihre Strahlen blickten.
Der Lärm verstummte wie auf einen Schlag. Schweigend stand alles ringsum und wartete. Nicht ein Wort wurde mehr gesprochen. Die ersten Stunden waren für die Opfer des Sonnenkultes die leichtesten. Noch waren ihre Kräfte frisch, und es war kühl von der Nacht her. Der Morgenwind wehte, und die Strahlen fielen flach. Aber die Sonne stieg und gewann an Kraft. Die Luft und der Boden wurden von Stunde zu Stunde wärmer. Das Blut aus den Wunden trocknete an. Die Wunden schmerzten heftiger. Die Augen brannten, da sie unaufhörlich in die Strahlen gerichtet waren, die immer blendender wurden. Die Stirn glühte, der ganze Kopf begann unter dem dumpfen Druck der Hitzeeinwirkung zu leiden. Die Sonnenhitze wirkte nicht nur auf Augen und Gehirn, sondern auf den ganzen schutzlosen Körper, auf die brennenden Wunden. Die Schmerzen, die von dem Zerren der Riemen ausgingen, verbreiteten sich über Schultern und Arme und griffen nach dem gesamten Nervensystem.
Als die Sonne den Zenit überschritten hatte, war die Luft heiß wie Brühe im Topf. Der Mund trocknete aus, die Zunge klebte am Gaumen, und durch den Blutverlust war der Durst noch quälender. Wenige Männer nur vermochten, einen solchen Tag zu überstehen, ohne ohnmächtig zu werden.
Langsam, langsam stieg die Sonne ab. Die beiden jungen Krieger hatten sich schon im Halbkreis um den Pfahl bewegt und schauten jetzt nach Westen, zum Felsengebirge hin, wo der glühende Sommersonnenball zu den Gipfeln sank. Es wurde wenig kühler. Der Wind war trocken und brachte Staub. Die beiden Opfernden waren erschöpft. Ihre Willensanstrengung, sich noch aufrecht und bei Bewußtsein zu halten, wurde sichtbar. Ihre Züge verkrampften sich, der Atem ging kürzer.
Die Häuptlinge und Zaubermänner, viele Krieger und auch einige Frauen hatten erkannt, daß Stein mit Hörnern auf eine schwerer lösbare Weise an Riemen und Pfahl gefesselt war. Kaum einer zweifelte daran, daß der große Geist und die große Sonne es so wollten; der Zaubermann war in den Augen der Krieger und Frauen nur die Hand und der Diener der Geheimnisse; es geschah, was von den Geistern bestimmt schien. Obgleich sie Blutsbrüder waren, hatte die große Sonne selbst einen Unterschied gesetzt zwischen Donner vom Berge und Stein mit Hörnern. Darum hätte auch niemand gewagt, sich dagegen aufzulehnen.
Uinonah stand in den hinteren Kreisen der Menge, auf einer Bodenwelle, die ihr erlaubte, über die Krieger hinwegzusehen zum Opferplatz. Ihre Wangen waren grau wie der Nebel im Herbst, und stundenlang sah sie nichts als den schwarz bemalten Pfahl und die Köpfe und Schultern der Opfernden. Es ging gegen die achte Stunde nach Mittag. Der Sonnenball berührte die Gipfel im Westen. Glutrot leuchtete der Himmel. Um diese Stunde wurde Uinonah zum erstenmal gewahr, wer neben ihr stand. Es war Sitopanaki.
Ehe die Sonne schwand, gab der Zaubermann das Zeichen zur letzten Probe. Mit schweigender Erregung warteten alle rings, wie das schwere Opfer gelingen würde.
Donner vom Berge und Stein mit Hörnern richteten sich aus ihrer zurückgelehnten Haltung auf und tanzten zu Ehren der Sonne. Sie wirbelten um den Opferpfahl und warfen sich dabei immer wieder mit aller Kraft zurück in die Riemen, um Haut und Fleisch zu zerreißen und von
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