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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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allein.
    Am nächsten Morgen machten sich die noch verbliebenen Zelte auf den Weg, und schon um Mittag waren sie alle verschwunden. Einsam lag wieder die Steppe unter der brennenden Sonne.
    Mattotaupa hatte seinen Sohn in den Schatten einer Bodenwelle gebracht und gab ihm zu trinken, sobald er sich wieder rührte.
    Als in der folgenden Nacht die Wölfe heulten, hielt Mattotaupa seine Büchse bereit. Er war der waffenführende Vater und die pflegende Mutter in einem. Am zweiten Tage nach dem Fest kam Stein mit Hörnern endlich wieder zu Bewußtsein. Er sprach noch nicht, bat auch um nichts, aber der Vater erriet alles, was er brauchte.
     
     

 
Die Verstoßenen
     
    Die folgenden Sommertage liefen gleichmäßig dahin. Mattotaupa erlegte des Nachts Wölfe und jagte des Tags Präriehühner und Antilopen. An Nahrung fehlte es nicht. Als Stein mit Hörnern sich so weit erholt hatte, daß er selbst die Waffen führen konnte, schweifte Mattotaupa weiter umher. Er kundschaftete aus, daß es zwischen Dakota und Schwarzfüßen bei den großen Büffeljagden zu Zusammenstößen gekommen war.
    Mit der vollständigen Genesung des jungen Kriegers stand die Frage, wofür das wiedergewonnene Leben zu nutzen sei, unausweichlich da. Sie stand wie eine große Drohung.
    Es war Abend, einer jener milden Abende am Ausgang des Sommers. Die Wut der Hitze war gebrochen. Die Kälte lauerte erst und wartete noch auf ihre Zeit. Alles schien in der Schwebe, in einer trügerischen, von den Wundern der milden Sonne umschleierten Harmonie, ehe die Winterstürme losbrachen.
    Mattotaupa brachte ein kleines Feuer in Gang. Die beiden Indianer setzten sich zusammen und rauchten. Jeder hatte dabei Zeit, den anderen nachdenklich zu betrachten. Vater und Sohn waren jetzt etwa gleich groß, Stein mit Hörnern noch etwas schlanker gebaut als der hager gewordene Mattotaupa. Der junge Krieger war zwanzig, sein Vater zweiundvierzig Jahre alt. Beide sahen älter aus, als sie waren, aber auf verschiedene Art. Der Sohn erschien ernster und verschlossener, als es seinen Jahren zukam, abgehärtet, zähe, sehnig wie ein Wildtier. Der Vater war erschlafft. Nicht nur sein Empfinden, auch sein Mienenspiel war lockerer, ungesicherter geworden. Seine Kraft hatte nachgelassen, und wenn sie auch noch immer ungewöhnlich blieb, so doch nur für Momente, nicht mehr zuverlässig. Mit den grauen Strähnen im Haar machte Mattotaupa den Eindruck eines Fünfzigjährigen.
    Als er jetzt am Feuer saß, den Kopf gesenkt hielt und die Schultern sinken ließ, wirkte er müde und traurig. Stein mit Hörnern fühlte sich beschämt, weil der Vater bei ihm geblieben war und ihm das Leben gerettet hatte. Er trug auch verschiedene Fragen mit sich herum, aber es war wohl die Sache des Vaters als des Älteren, ein Gespräch zu eröffnen, das über die notwendigste Verständigung in bezug auf das Tägliche hinausging.
    Mattotaupa schien sich wieder in seinen Sohn hineindenken zu können. »Hast du Fragen?« sagte er.
    Stein mit Hörnern fiel die Frage, die er zuerst aussprechen wollte, schwer, denn er dachte dabei an den Vorwurf, den der Vater ihm vor den anderen gemacht hatte, aber er entschloß sich doch, diese Frage zu stellen: »Wer hat dir gesagt, daß die Watschitschun dich gar nicht suchen und auch bei den Siksikau nicht nach dir gefragt haben?«
    Mattotaupa hob den Kopf. Er rechnete es dem Sohn hoch an, daß dieser seine Versäumnisse einzugestehen schien. »Die Oberhäuptlinge der Siksikau haben es mir gesagt. Ich war zu ihnen geritten. Als Kundschafter war ich entlassen. Ich schweifte ohne Ziel umher und hörte eines Tages von dem großen Fest. Da machte ich die Probe, ob sie mich empfangen würden, denn ich wollte Tashunka-witko noch einmal sehen und noch einmal mit ihm kämpfen, so wie damals. Die Siksikau nahmen mich auf.«
    Mattotaupa machte eine Pause. »Ich wollte auch dich treffen, Stein mit Hörnern«, fügte er dann offen hinzu. »Ich bin nicht dabei gewesen, als du ein Krieger wurdest.«
    »Du gehst jetzt wieder zu den Siksikau?«
    Mattotaupa spielte mit den Zweigen, die bereitlagen, schob sie aber nicht ins Feuer, so daß die Glut, die keine neue Nahrung erhielt, nur noch rötlich zwischen der Asche leuchtete. Mattotaupa wußte schon, was er auf die Frage des Sohnes zu erwidern hatte: Nein! hatte er zu antworten, und er hätte hinzufügen müssen: Ich gehe nicht zu den Siksikau, obgleich sie den Mann, der zuerst in die Sonne geschossen hat, aufnehmen würden. Sie wissen

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