Heimkehr zu den Dakota
Schattenrisse des Felsengebirges. Die ersten Sterne leuchteten auf. »Ich werde erwartet«, sagte Morris und schaute sich um. Er entdeckte den, den er suchte, nicht, aber dieser entdeckte ihn, und Morris’ Augen leuchteten auf.
»Langspeer! Da bist du!« Damit begrüßte der Maler einen Indianer, der sehr sorgfältig und sauber gekleidet war und eine kostbare Kette um den Hals trug.
»Mein weißer Bruder Weitfliegender Vogel, Geheimnisstab hat mich gebeten, heute am Abend mit zwei Pferden und zwei Maultieren hier auf ihn zu warten. Ich habe gewartet.«
»Du hast mich erwartet, du Getreuer! Hast du schon Quartier für uns?«
»Ja.«
»Kann ich meine beiden Bekannten hier, Brown …«
»Joe bitte, nachdem wir aus dem Zug ausgestiegen sind.«
»Also meine Bekannten Joe und … Henry war der Name? Joe und Henry mitnehmen?«
»Das wird möglich sein.«
Zu viert machte man sich auf den Weg. Der Indianer führte zu einer Bretterbude, die etwas komfortabler aussah als die anderen, deren Wände aber, wie sich im Innern rasch herausstellte, den Luftzug durch zahlreiche Ritzen durchließen. Morris fröstelte.
»Ich bin sonst nicht für das Trinken«, gestand er, »aber nach der langen Fahrt, nach dem Genuß der Reden des Herrn Finley und in dieser Zugluft hier, mit der die Prärie in die unzulängliche Zivilisation der Baracke pustet, wäre eine Flasche Whisky als Erwärmung und Vorbeugung doch nicht zu verachten.«
Joe lächelte. »Wir machen mit. Einverstanden, Henry?«
»Wie immer.«
Joe und Morris gingen schon zu dem Gastraum, während Langspeer, der Indianer, mit Henry zusammen das Gepäck fortbrachte. Die beiden verhandelten mit dem Wirt über eine zweite Schlafkammer, erhielten sie auch für einen Wucherpreis und verstauten die Sachen. Langspeer nahm beide Schlüssel an sich und erklärte, daß er selbst bei den Räumen bleiben und aufpassen wolle. Henry solle zu den anderen in den Gastraum gehen. Nach einigem Hin und Her setzte der Indianer seinen Willen durch.
Henry begab sich allein in den Wirtsraum zu Morris und Joe und entschuldigte das Fernbleiben Langspeers.
»Ich hatte es nicht anders erwartet«, erklärte der Maler. »Langspeer trinkt keinen Tropfen Alkohol und vermeidet jede Gastwirtschaft. Es ist bei ihm Prinzip. Zu viele seines unglücklichen Volkes sind am Branntwein zugrunde gegangen.«
»Er ist Sioux?« fragte Brown.
»Cheyenne. Ich habe ihn persönlich durch meine Petition aus der Reservation befreit, und er ist mein ständiger Begleiter.«
Da es keinerlei andere Ablenkung in der Wildnis gab, fand sich abends alles zum Trinken in einer großen neuen Gastwirtschaftsbaracke zusammen. Der Wirt selbst, Kellner und Kellnerinnen eilten umher, um zu bedienen. Schon jetzt waren mehrere Gäste angetrunken. In der gegenüberliegenden Ecke wurde musiziert, und eine Tänzerin zeigte sich, um anzudeuten, daß sie später ihre Künste darbieten werde. Der Maler schaute umher und suchte gewohnheitsmäßig nach Charakteren und Typen, die ihn interessieren könnten. Aber mochte es nun seine Müdigkeit, der Anblick der armseligen und wenig stabilen Bretterwand, die schlechte Musik, der Tabaksqualm oder der Biergeruch ausmachen, er fand kein Gesicht und keine Gestalt, die ihn fesselten.
Joe Brown schien anderer Stimmung zu sein. »Sie sind zu lange nicht hier gewesen«, sagte er zu Morris. »Darum sind Sie jetzt betrübt, daß sich alles verändert hat. Reißen Sie sich aus den Erinnerungen heraus!«
»Ich war Jahre hindurch magenkrank. Aber Sie haben recht, der Sprung ist zu groß. Früher wurde ich in diesen Gegenden von Top, der damals noch als Häuptling seinen Namen Mattotaupa trug, im Zelt mit Büffellende bewirtet und hörte am Abend die Flöten in den Wiesen. Jetzt sitze ich in einer schnapsstinkenden Bude, trinke selbst Branntwein und lasse meine Ohren von diesem unfähigen Geiger martern.«
»Man könnte auch anders akzentuieren, nach meinen persönlichen Erfahrungen.« So meinte Joe, wieder mit jenem Lächeln, durch das seine Falten sich noch tiefer und schärfer prägten. »Früher wurden meine Gefährten hier durch die lautlosen Pfeile von Tashunka- witkos Kriegern umgebracht, jetzt ruiniere ich mich nach eigenem Dafürhalten und Maße mit Bier und mit Branntwein, den ich mir noch bestellen werde. Übrigens sind die Zelte und die Büffel aus den Landstrichen hier keineswegs verschwunden. Es ist eine zu elende, rauhe, mehr staubige als fruchtbare Gegend, und es haben sich noch kaum Siedler
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